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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Was Molinari zu sagen hatte, war nur für Eric bestimmt.
    »Warum? « fragte Eric nach einer Weile. Warum benutzte er nicht einfach Johannsons Laserpistole? Wenn es ihm da r um ging …
    »Ich weiß es nicht, wirklich nicht «, erklärte der Mau l wurf. »Aus keinem bestimmten Grund. Möglicherweise w e gen des Todes meiner Frau. Oder wegen der Verantwortung, die ich tragen muß … und die ich nicht so einfach abwälzen kann, wie viele Menschen meinen. Obwohl ich da anderer Ansicht bin; ich glaube, es gelingt mir. Aber sie verstehen nicht alle Faktoren dieser Situation. « Dann fügte er hinzu: »Und ich bin müde. «
    »Es … wäre möglich «, sagte Eric aufrichtig.
    »Und Sie könnten es tun? « Molinaris Augen funkelten, sahen ihn abschätzend an.
    »Ja, ich könnte es tun. « Persönlich besaß er ein seltsames Verhältnis zum Selbstmord. Trotz seines Kodex, jener eth i schen Verpflichtung, die jeder Mediziner eingegangen war, glaubte er – und dieser Glaube beruhte auf bestimmten E r fahrungen, die er selbst gemacht hatte –, daß ein Mensch das Recht besaß zu sterben, wenn er sterben wollte. Diese Übe r zeugung war keine Folge sorgfältiger rationaler Überlegung; er hatte sich nicht einmal bemüht, sie verstandesmäßig zu rechtfertigen. Ihm schien es einfach selbstverständlich zu sein. Es gab keinen Beweis, daß das Leben an sich ein S e gen war. Vielleicht waren einige der Menschen dieser A n sicht, aber offensichtlich nicht alle. Für Gino Molinari war das Leben ein Alptraum. Der Mann war krank, von Schul d gefühlen geplagt, und er stöhnte unter der Last einer ung e heuren, hoffnungslosen Aufgabe. Er besaß weder das Ve r trauen seines eigenen Volkes, noch genoß er den Respekt oder die Wertschätzung der Bevölkerung des Lilisterns. Und dann gab es noch persönliche Gesichtspunkte, die Erfahru n gen seines eigenen Lebens, der plötzliche, unerwartete Tod seiner Frau, die Schmerzen, die ihn plagten … Aber wah r scheinlich, begriff Eric plötzlich, gab es noch andere Grü n de. Gründe, die nur der Maulwurf kannte. Entscheidende Gründe, die er nicht verriet.
    »Würden Sie es auch tun? « fragte Molinari.
    Nach einer langen, sehr langen Pause antwortete Eric: »Ja. Es wäre eine Vereinbarung zwischen uns beiden. Sie würden darum bitten, und ich würde Ihnen diesen Wunsch erfüllen. Eine Sache, die nur Sie und mich betrifft. «
    »Ja. « Der Maulwurf nickte, und sein Gesichtsausdruck verriet Erleichterung; er schien sich ein wenig zu entspa n nen, ruhiger zu werden. »Ich verstehe jetzt, warum Virgil Sie empfohlen hat. «
    »Vor nicht allzu langer Zeit «, murmelte Eric, »stand ich selbst kurz davor, meinem Leben ein Ende zu machen. «
    Der Maulwurf fuhr zusammen; er starrte Eric Sweetscent mit einem durchdringenden Blick an, der die tiefsten, stil l sten Winkel seiner Seele erreichte. »Wirklich? « fragte der Maulwurf.
    »Ja. « Er nickte. Und deshalb verstehe ich dich, dachte er, deshalb weiß ich, was in dir vorgeht, auch wenn ich deine Gründe nicht genau kenne.
    »Aber ich «, erklärte der Maulwurf, »möchte die Gründe kennen. « Eric war wie gelähmt. Konnte Molinari Gedanken lesen? Er war nicht in der Lage, dem Blick der durchdri n genden Augen auszuweichen, und er begriff, daß der Mau l wurf keine parapsychologischen Fähigkeiten besaß; es mu ß te etwas Schnelleres, Stärkeres als Telepathie sein.
    Der Maulwurf reichte ihm die Hand; reflexartig ergriff Eric sie. Und sobald er sie berührt hatte, ließ der Maulwurf seine Hand nicht mehr los, sondern verstärkte den Druck, so daß Schmerz in Erics Arm aufwallte. Der Maulwurf ve r suchte, ihn zu verstehen, versuchte – wie Phyllis Ackerman vor nicht allzu langer Zeit – alles zu erfahren, was über ihn zu erfahren war. Aber der Maulwurf stellte keine glatten, platten Vermutungen auf; dem Maulwurf ging es um die Wahrheit – die Wahrheit, wie Eric Sweetscent sie sah. Ihm blieb keine Wahl; er mußte dem Maulwurf alles verraten.
     
    In Wirklichkeit war die Ursache nur geringfügig gewesen. Wenn man davon erzählte – und er war nie so närrisch g e wesen, es irgend jemandem zu erzählen, nicht einmal se i nem professionellen Gehirnklempner –, wäre es absurd e r schienen, hätte ihn in den Augen der anderen, und zu Recht, als Idiot dastehen lassen. Oder, noch schlimmer, als seelisch gestört.
    Es war ein Zwischenfall gewesen, der nur ihn und …
    »Ihre Frau «, stellte der Maulwurf fest, während er ihn u n verwandt ansah. Und

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