Warte auf das letzte Jahr
erarbeiten.«
Die Robameise in der Gestalt des Hausmeisters ging an ihnen vorbei und war dann verschwunden.
»Verdammt beeindruckend«, murmelte Harv.
»So ist es«, stimmte Jonas zu. »Großer Gott, wenn man bedenkt, daß der wirkliche Steve seit über einem Jahrhundert tot ist …! Mir fällt es schwer zu glauben, daß wir auf dem Mars und nicht auf der Erde sind – und dieses Gefühl sagt mir ganz und gar nicht zu. Es ist mir lieber, wenn die Dinge auch das sind, was sie zu sein vorgeben.«
Eric kam ein Gedanke. »Haben Sie auch etwas dagegen, zu Hause in Ihrem Apartment die Stereoaufnahme einer Symphonie abzuspielen?«
»Nein«, erklärte Jonas. »Aber das ist etwas ganz anderes.«
»Das ist es nicht«, widersprach Eric. »Es gibt kein Orchester in Ihrer Wohnung, und das Studio, in dem die Symphonie aufgenommen wurde, ist seit langem leer, die Originalmusik verstummt; alles, was Sie besitzen, ist ein vierhundert Meter langes Eisenoxidband, das auf spezifische Weise magnetisiert worden ist … also geben Sie sich einer Illusion hin. Wie hier. Nur daß die Illusion hier vollkommen ist.« Er stieg die Treppen hinauf. Wir sind jeden Tag von Illusionen umgeben, dachte er. Als sich der erste Barde sein erstes Epos über eine vergangene Schlacht ausdachte, trat die Illusion in unser Leben ein; die Mas ist genauso »unecht« wie diese Robameisen-Kinder, die unten vor dem Haus Briefmarken tauschen. Die Menschen haben schon immer versucht, die Vergangenheit zum Leben zu erwecken, sie festzuhalten; und dies ist nicht schlecht. Ohne dies besäßen wir keine Kontinuität und würden nur für den Augenblick leben. Und verglichen mit der Vergangenheit ist ein Augenblick – die Gegenwart – nicht sehr viel wert. Vielleicht, sagte er sich, während er die Stufen hinaufhastete, ist das mein Problem mit Kathy Ich kann mich nicht an unsere gemeinsame Vergangenheit erinnern, nicht an die Zeit, als wir noch freiwillig zusammengelebt haben … denn nun ist es eine unfreiwillige Verbindung, und nur Gott weiß, wie es dazu gekommen ist.
Keiner von uns begreift es. Keiner von uns kennt den Sinn des Ganzen oder die Beweggründe, die uns dazu treiben. Würden wir uns besser erinnern, wäre alles viel einfacher.
Vielleicht, dachte er, ist dies das erste Zeichen, daß man alt wird. Alt … dabei bin ich erst vierunddreißig!
Phyllis war auf der Treppe stehengeblieben und wartete auf ihn. »Schlafen wir doch zusammen, Doktor.«
Innerlich begann er zu zittern; Hitze erfüllte ihn, Erschrecken, Erregung, Hoffnung, Hoffnungslosigkeit, Schuld, Begierde.
»Sie haben die schönsten Zähne, die ich jemals gesehen habe«, sagte er laut.
»Antworten Sie.«
»Ich …« Er suchte nach den richtigen Worten. Aber waren denn Worte das richtige? Obwohl das Angebot in Worte gekleidet worden war … »Und er wird von Kathy zu Schlacke verbrannt – von Kathy, die alles sieht, was vorgeht?« Er fühlte den Blick der Frau auf sich ruhen, fühlte den Blick ihrer großen, starren Augen. »Hmm«, machte er unsicher, und er fühlte sich elend und klein.
»Aber sie brauchen es«, sagte Phyllis.
»Ah«, stieß er hervor und wand sich unter der unerbetenen, unerwünschten weiblichen psychiatrischen Untersuchung seiner sündigen Seele; sie hatte seine Seele gepackt und wälzte sie auf ihrer Zunge hin und her. Zur Hölle mit ihr! Sie hatte es erkannt, sprach die Wahrheit, und dafür haßte er sie und sehnte sich gleichzeitig danach, mit ihr ins Bett zu gehen. Und natürlich wußte sie es – sah es seinem Gesichtsausdruck an –, sah es mit ihren verfluchten großen Augen, mit Augen, die keine sterbliche Frau besitzen sollte.
»Ohne es werden Sie zugrunde gehen«, bemerkte Phyllis. »Ohne wahre, spontane, entspannende, körperliche …«
Er lachte heiser. »Es ist wirklich albern von uns, hier auf dieser verdammten Treppe herumzustehen.« Er ging an ihr vorbei und erreichte den zweiten Stock. Was hast du schon zu verlieren? fragte er sich. Ich bin es doch. Ich …
Die Tür von Virgils privatem, modernem Apartment stand offen; Virgil war bereits hineingegangen. Ihm folgten seine Familienangehörigen und dann die Angestellten der Firma.
Eric trat ein – und erblickte Virgils Gast.
Den Mann, der der Grund ihres Besuches auf dem Mars war. Er saß zurückgelehnt da, mit ausdruckslosem, schlaffem Gesicht, dicken, dunkelroten Lippen und blicklos starrenden Augen. Gino Molinari. Der gewählte oberste Führer der vereinten Erde und Oberbefehlshaber der
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