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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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dafür kenne ich die Vergangenheit – Ihre Zukunft.« Er griff nach einer Zeitung, blätterte in ihr und legte sie aufgeschlagen vor Eric auf den Schreibtisch. »Das ist sechs Monate nach Ihrem Aufenthalt in dieser Cafeteria geschehen. Es wird Sie interessieren.«
    Erics Blick fiel auf die Überschrift des Leitartikels.
     
    SWEETSCENT ALS RÄDELSFÜHRER DER ÄRZTEVERSCHWÖRUNG GEGEN DEN DERZEIT AMTIERENDEN UNOGENERALSEKRETÄR DONALD FESTENBURG ENTTARNT UND VOM GEHEIMDIENST VERHAFTET
     
    Unvermittelt entriß ihm Festenburg die Zeitung, zerknüllte sie und warf sie in eine Ecke. »Ich werde Ihnen nicht verraten, was aus Molinari geworden ist – finden Sie es selbst heraus, da Ihnen offenbar nichts an einer vernünftigen Zusammenarbeit mit mir gelegen ist.«
    »Sie hatten ein Jahr Zeit, um eine Fälschung der Times herzustellen. Ich glaube mich zu erinnern, daß dies in der Politik nicht zum erstenmal geschieht … Joseph Stalin hat ein ähnliches Spiel mit Lenin während dessen letzten Lebensjahren getrieben; er hat eine gefälschte Ausgabe der Prawda drucken lassen und sie Lenin gegeben, der …«
    »Meine Uniform«, stieß Festenburg mit dunkelrotem, verzerrtem Gesicht hervor. »Schauen Sie sich meine Schulterstreifen an!«
    »Warum sollte das nicht auch ein Schwindel sein? Ich behaupte nicht, daß es so ist. Ich behaupte auch nicht, daß die Zeitung gefälscht ist.« Schließlich war er nicht in der Lage, dies mit Sicherheit zu sagen. »Ich behaupte nur, daß es so sein könnte, und das reicht, um mich von einer Entscheidung abzuhalten.«
    Mit ungeheurer Anstrengung gelang es Festenburg, seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. »In Ordnung, Sie wollen vorsichtig sein. Sie sind verwirrt – das verstehe ich. Aber, Doktor, seien Sie für einen Augenblick realistisch; Sie haben die Zeitung gesehen, Sie wissen, daß ich Molinaris Nachfolge als UNO-Generalsekretär angetreten habe, auch wenn ich Ihnen die Umstände nicht verraten werde. Und außerdem sind Sie darüber informiert, daß Sie in sechs Monaten Ihrer subjektiven Zeit auf frischer Tat dabei ertappt werden, wie Sie gegen mich konspirieren. Und …«
    »Gegen den ›derzeit amtierenden UNO-Generalsekretär‹«, berichtigte Eric.
    »Wie bitte?« Festenburg starrte ihn an.
    »Aus dem Wortlaut geht hervor, daß Sie nur für eine Übergangszeit dieses Amt innehaben. Und ich wurde nicht – oder ich werde nicht – ›auf frischer Tat‹ ertappt. In dem Bericht ist nur von einer Anschuldigung die Rede; es hat keine Gerichtsverhandlung, keine Verurteilung gegeben. Vielleicht bin ich unschuldig. Vielleicht hat man mich nur denunziert; möglicherweise sind sogar Sie dafür verantwortlich. Denken Sie doch an Stalin in seinem letzten Lebensjahr, an die sogenannte …«
    »Hören Sie auf, mich zu belehren! Ja, ich bin über die von Ihnen erwähnte Angelegenheit informiert; ich weiß, wie Stalin den sterbenden Lenin getäuscht hat. Und ich bin auch über die Ärzteverschwörung im Bilde, die der paranoide Stalin kurz vor seinem Tod selbst eingefädelt hat. Na schön«, sagte Festenburg ruhig, »ich gebe es zu. Die Zeitung, die ich Ihnen vorgelegt habe – sie war gefälscht.«
    Eric lächelte.
    »Und ich bin nicht der amtierende UNO-Generalsekretär«, fuhr Festenburg fort. »Aber was wirklich geschehen ist – das werde ich Ihrer eigenen Phantasie überlassen. Und Sie werden es nicht herausfinden; in einigen Minuten werden Sie in Ihre Zeit zurückkehren und nichts wissen, nicht die kleinste Einzelheit, über die Welt der Zukunft – und hätten Sie nur ein wenig mit mir zusammengearbeitet, dann würden Sie jetzt alles wissen.« Er blickte Eric prüfend an.
    »Ich glaube«, erklärte Eric, »ich bin ein Narr.«
    »Mehr als das: Sie sind ein polymorpher Perverser. Sie hätten mit – bildlich gesprochen – unbesiegbaren Waffen ausgerüstet zurückkehren und Ihre Frau, Molinari und sich selbst retten können. Doch nun werden Sie für ein Jahr mit der Ungewißheit leben müssen – vorausgesetzt, daß Sie trotz Ihrer Drogensucht so lange überleben. Es wird sich zeigen.«
    Zum erstenmal empfand Eric leise Zweifel. Machte er einen Fehler? Schließlich wußte er nicht einmal, was er als Gegenleistung für das von Festenburg vorgeschlagene Geschäft hätte erbringen müssen. Doch das Gegenmittel stand ihm jetzt nicht mehr zur Verfügung; es war zu spät. Es lohnte nicht mehr, darüber nachzudenken.
    Eric erhob sich und blickte aus dem Fenster hinunter auf Cheyenne.
    Die

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