Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
Farm. Ich könnte natürlich Pearce oder eine Polizeibeamtin hinausschikken, aber ich kenne diese Leute mein Leben lang und bin es ihnen einfach schuldig, selbst hinzugehen. Doch auf Greyladies haben sie schon genug Sorgen, ohne daß ich reinplatze, und sogar Dolly Carmody ist eine recht traurige und einsame Gestalt, auch wenn sie nicht so wirkt. Ich habe gedacht – ich meine, Sie können gut mit Menschen umgehen, und da dachte ich, Sie könnten mit Mrs. Carmody und auch mit den Leuten auf Greyladies reden, wenn ich Sie irgendwie mit ihnen bekannt machen könnte. Ich finde einfach keinerlei Hinweise auf diesen Toten. Auch nach einer Woche noch nicht. Das ist verdammt merkwürdig und macht mich nervös.«
»Hatte er denn keine Narben oder andere besondere Kennzeichen?«
»Eine alte Blinddarmnarbe.«
»Zähne?«
»Man muß zuerst zumindest eine vage Vermutung haben, um Unterlagen auftreiben und ja oder nein sagen zu können. Dieser Mensch hatte einen Mund voller Goldzähne, doch ich habe keine Ahnung, wer sein Zahnarzt gewesen sein könnte.«
»Goldzähne?« sagte Meredith überrascht.
»Sie meinen, er ist – war Ausländer?« Er sah sie perplex an.
»Wieso sagen Sie das?«
»Ach, kommen Sie, wie viele Engländer haben denn Goldzähne? Nur wenige. Aber auf dem Kontinent sind sie allgemein üblich, besonders in einigen Ländern. Wo immer es eine ausgeprägte bäuerliche Kultur gibt, findet man Goldzähne. Es ist eine Möglichkeit, die Ersparnisse eines ganzen Lebens an sich herumzutragen.«
»Ausländer –«, sagte Markby vor sich hin.
»Wissen Sie, etwas an dem Burschen hat mich verwirrt. Das könnte es sein. Er hat ausländisch ausgesehen. Das Schwierige an Toten ist, daß einen ihr Aussehen irreführen kann. Aber ja. Warum nicht? Wenn er Ausländer war, ein Gast – kein Wunder, daß niemand ihn als vermißt gemeldet hat.«
»Was ist mit seinem Paß, seiner Kleidung? Einem Wagen, vielleicht?«
»Ist alles verschwunden. Das wäre ein weiterer Hinweis. Er war nackt wie Gott ihn schuf, aber wenn jemand seine Wertsachen gewollt hätte, wenn es so ein Motiv gewesen wäre, hätten sie ihm die Zähne herausgebrochen. Wie Sie sagen, ein Satz Goldzähne stellt einen ziemlichen Wert dar, wenn man sie zieht und das Gold herausschmilzt.«
»Das ist wirklich schrecklich«, sagte sie nach einer Pause.
»Ja, das ist es.« Er hatte ihr noch nicht gesagt, daß das Opfer lebendig begraben worden war. Das Ganze war ohnehin kein geeignetes Tischgespräch, und in Anbetracht dessen, daß er sie seit Ende Januar nicht mehr gesehen hatte …
»Ich möchte nicht«, sagte er ernst,
»mit Ihnen nur über Leichen sprechen, solange Sie hier sind.«
»Das will ich eigentlich auch nicht.« Sie lächelten einander wieder auf eine Weise zu, die, wie Meredith fand, allmählich zur Gewohnheit wurde, zu einer Gewohnheit, die man sehr genau beobachten mußte.
»Hören Sie«, sagte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr,
»ich muß zurück. Sergeant Pearce wird gleich draußen hupen. Ich habe ihn gebeten, mich abzuholen. Habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Ich sehe Sie gegen vier Uhr auf der Witchett Farm. Sie wissen doch, wie Sie hinkommen, oder?« KAPITEL 7
»Ah, hier sind sie meine Liebe«, wurde Meredith von Mrs. Carmody begrüßt, als sie ihren Wagen abstellte und ausstieg.
»Und Sie kommen wirklich früh, braves Mädchen. Hatten wohl keine Schwierigkeiten, mich zu finden?«
»Nein, Sie haben mir sehr genaue Anweisungen gegeben, und Alan hat sie beim Lunch ungefähr ein halbes dutzendmal wiederholt.« Sie hatte die Fahrt auch geschafft, ohne auf einer Böschung festzusitzen. Alan hatte sie von ihrem Mißgeschick nichts erzählt. Zwar glaubte sie nicht, daß er zu den Männern gehörte, die über Autofahrerinnen dumme Witze rissen, aber sie hatte sich bei diesem Zwischenfall nicht eben gelassen und kompetent gezeigt. Die Erinnerung an die lässige Galanterie ihres rothaarigen Retters ärgerte sie noch immer. Sie wünschte, sie hätte ihm wegen seiner verflixten Schafe, die Autofahrer gefährdeten, deutlicher die Meinung gesagt. Doch auf eine merkwürdige Weise, die sie nicht zu ergründen vermochte, hatte er trotz aller Aufsässigkeit etwas Verletzliches an sich gehabt.
»London –«, hatte er so wehmütig gesagt. Laut sagte sie zu Mrs. Carmody:
»Es war sehr nett von Ihnen, mich einzuladen.«
»Unsinn«, antwortete die alte Frau nüchtern.
»Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen den Hof.« Es war die bei weitem sauberste
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