Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
Einheimische aus und ein paar andere wie Arbeiter von der Baustelle. Die unterschiedlichsten Stimmen und Akzente bildeten die Hintergrundgeräusche. Markby berührte Meredith’ Arm.
»Steve ist schon hier.« Er zeigte in eine Ecke, in der ein jüngerer Mann mit lockigem Haar und einem Pullover mit rundem Halsausschnitt vor einem Pint saß und in einer Zeitung ein Kreuzworträtsel löste, obwohl es fast unmöglich sein mußte, sich bei diesem Krach zu konzentrieren. Markby bahnte sich einen Weg zu ihm und rief seinen Namen. Der Rätselrater blickte auf, lächelte, legte die Zeitung weg, stand, als er Meredith erblickte, halb auf und streckte die Hand aus.
»Sie sind Meredith. Endlich! Er hält Sie vor uns allen versteckt.«
»Nicht seine Schuld«, sagte Meredith.
»Ich wohne derzeit in London.« Zu ihren Füßen begann ein Scharren und Kratzen, und ein Stuhl bewegte sich von selbst. Erschrocken schaute Meredith hinunter und sah einen kleinen Hund, der mit der Leine an einem Stuhlbein festgebunden war. Er drängte vorwärts, entschlossen, die Neuankömmlinge zu begrüßen, und zerrte den Stuhl mit.
»Das ist Patch«, sagte Steve Wetherall.
»Wartet, ich mache ihn los. Der Jammer ist, wenn ich ihn nicht anbinde, haut er ab und wird getreten. Da er ein bißchen klein geraten ist, passiert das häufig, wenn er den Leuten unter die Füße kommt.« Er zog den Hund auf seine Tischseite und wickelte sich das Ende der Leine ums Handgelenk. Meredith quetschte sich neben ihm in die Ecke, und Patch legte ihr die Pfoten auf die Knie und grinste sie glücklich an.
»Es macht mir nichts aus«, versicherte sie Steve, der anfing, sich für seinen übereifrigen Liebling zu entschuldigen. Sie tätschelte dem kleinen Hund den Kopf.
»Ich habe nicht erwartet, daß es heute abend hier so voll ist.«
»Gut die Hälfte der Gäste kommt von der Baustelle.« Wie zur Bekräftigung seiner Worte wurde er gleich darauf von ein paar Männern gegrüßt und antwortete mit einem Nicken.
»Sie kennen mich alle«, fügte er überflüssigerweise hinzu. Markby unterbrach ihn, fragte, was sie trinken wollten, und machte sich auf den Weg zur Bar.
»Vor ein paar Tagen habe ich Ihre Baustelle besucht«, sagte Meredith.
»Das hätte ich wahrscheinlich nicht tun sollen. Ich habe herumgeschnüffelt. Das heißt, ich hatte die Absicht herumzuschnüffeln, aber aus einem guten Grund, ich wollte Alan helfen, bin aber nicht dazu gekommen. Der Polier hat mich hinausgeworfen.« Steve schnitt eine Grimasse.
»Jerry Hersey ist ein Nagel zu meinem Sarg. Unter uns gesagt, er ist ein durch und durch unangenehmer Mensch. Und er bellt nicht nur, er beißt auch. Ich gebe zu, daß auf dieser Baustelle von Anfang an so ziemlich alles schiefgegangen ist. Wir hatten Probleme mit dem Grundwasser und dann mit einer Ladung Ziegel, und ganz offen gesagt, daß wir eine Leiche im Fundament gefunden haben, war auch höchst überflüssig.«
»Das muß ein schlimmer Schock gewesen sein. Alan hat mir erzählt, daß Sie dabei waren, als der Tote gefunden wurde.«
»Als Daley ihn ausgegraben hat. Ja, es war unerfreulich. Daley ist seither verschwunden, und ich muß sagen, ich nehme es ihm nicht übel. Ich habe erwartet, daß noch mehr Männer kündigen. Keiner geht auch nur in die Nähe der Fundstelle, müssen Sie wissen. Sie weigern sich sogar, den Graben aufzufüllen. Hersey ist auch keine Hilfe. Aber ist er das überhaupt einmal? Wenn mir der Gedanke gekommen wäre, hätte ich ihm auch eins über den Schädel gezogen und ihn in einem Fundament verbuddelt.« Steve machte ein verlegenes Gesicht.
»Das war ein schlechter Scherz. Aber er beschwert sich dauernd darüber, daß alles schiefgeht, und gibt allen anderen die Schuld, nur nicht sich selbst. Wenn er seine Arbeit gemacht hätte …« Er unterbrach sich.
»Tut mir leid, nicht Ihr Problem.«
»Sind Sie der einzige Architekt für dieses Projekt?«
»Meine Firma hat den Kontrakt. Nun, es ist praktisch ein Einmann-Unternehmen, also bin ich’s in gewisser Weise, ja. Ich habe verdammt viel Arbeit in diese Baupläne gesteckt, das ist kein Geheimnis. Habe auf einen künftigen kommerziellen Durchbruch gehofft. Wenn Sie sich in dieser Branche einmal einen guten Ruf geschaffen haben, dann bleibt er. Die Leute kommen das nächste Mal zu Ihnen. Aber genauso kann Sie eine schlechte Aura fertigmachen. Das ist es, was uns der Tote antut. Er hat nichts mit mir zu tun, nichts mit dem Bauvorhaben, dem Bauunternehmer, mit keinem von uns.
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