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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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Springbrunnen, vier große Tore und eine zehn Kilometer lange Zufahrt, die er einmal mit Orientteppichen belegen ließ. Der Maharadscha besaß das größte zusammenhängende Jagdrevier Indiens. In seinem Palast hingen überall die Köpfe von Tigern und Elefanten an der Wand. Außerdem hatte er einen Ballsaal und eine umfangreiche Bibliothek, er war sehr belesen. Und mitten im Palast war ein Raum, in dem der Darsi des Maharadschas arbeitete.«
    »Im Palast?« Hema sieht sie ungläubig an.
    »Ja, im Palast.«
    Hema wollte protestieren, seine Vorahnung, daß der Darsi die Macht übernehmen würde, bewahrheitete sich. Memsahib, die nach dem Fiasko mit den Mietern nie mehr fremde Leute im Haus zugelassen hatte, wollte dem Darsi das Klavierzimmer geben, so daß dieser schreckliche Mann genau wie sie an der Schnur ziehen könnte und bei ihm in der Küche eine Glocke klingelte: KLAVIERZIMMER . Was auch immer geschah, schwor er sich, sollte vom Klavierzimmer aus nach ihm verlangt werden, dann würde er es ignorieren.
    »Der Fußboden muß gewischt und die Wände müssen abgestaubt werden. Ich sorge heute für Vater.«
    Als ob ich Zeit habe, den Fußboden zu wischen. Wer erledigt dann die Einkäufe, die Wäsche, wer kocht das Essen, wer macht den Tee, wer soll das alles tun? dachte Hema, der sein ganzes Leben ohne Murren seine Arbeit verrichtet hatte, zur Zufriedenheit aller, ihn selbst eingeschlossen. Er erschrak über seine rebellischen Anwandlungen und bekam Angst, daß er an der gleichen Krankheit wie der General zu leiden begann. Er versuchte, mit dem Zeigefinger seine Nasenspitze zu treffen. Er hatte gesehen, daß der Arzt den General dazu aufforderte und daß es dem General nie gelang. Als sein Finger mühelos auf der Nasenspitze landete, seufzte er erleichtert.
    »Ist noch was?«
    »Nein, Memsahib. Morgen wische ich das Zimmer.«
    »Mir ist lieber, wenn du es heute machst.«
    Wieder wallte eine Woge des Protestes in ihm auf. Hema mußte sich beherrschen, damit Charlotte es nicht merkte, doch zum Glück fiel der Strom wieder aus. Gleich darauf war von oben lautes Gepolter zu hören, und er eilte die Treppe hinauf.
     
    Sie verstand sich selbst nicht. Sie hatte im Klavierzimmer gestanden und nach Hema geklingelt, weil sie sah, daß sich ein Drahtende des Lampenkabels gelöst hatte. Vielleicht war das der Grund für die häufigen Stromausfälle. Er hatte geklopft und war ins Zimmer getreten, und als sie den Mund aufmachte, sagte sie Dinge, die sie überhaupt nicht sagen wollte. Sie konnte machen, was sie wollte, die Worte strömten einfach weiter. Sie hatte in ihrem Kopf dagegen angekämpft, aber die Sätze kümmerten sich nicht darum, sie schoben sie geringschätzig beiseite und purzelten heraus. An den Maharadscha hatte sie seit Jahren nicht mehr gedacht, und an dessen Schneider, der ihr erstes Abendkleid genäht hatte, schon gar nicht, und plötzlich waren sie da, aus dem Nichts, wie eine Invasion mordgieriger Stare, die über ihren Rasen flogen auf der Suche nach nichtsahnenden Opfern. Sie hörte, daß Hema oben ins Kinderzimmer ging, wo es sofort still wurde. Was mochte er von ihr denken? Wenn es um seinen Status ging, war er sehr empfindlich, das wußte sie, und sie wollte ihn nicht gegen sich aufbringen. Er leistete ihr schon seit so vielen Jahren treue Dienste, für sie war er mit der Zeit ein Teil ihrer kleinen Familie geworden, auch wenn er neben der Küche schlief und der Butler war, von dem sie sich bedienen ließen. Dennoch entsprach es der Wahrheit, daß der Schneider von Maharadscha Man Singh seine Werkstatt in einem zentralen Raum im Palast hatte. Dort herrschte ein Kommen und Gehen, denn es gab immer jemanden, der ihn gerade brauchte, und auch der Gehilfe und der Laufbursche des Schneiders hatten alle Hände voll zu tun. Vielleicht war es ja gar keine schlechte Idee, den Darsi im Klavierzimmer arbeiten zu lassen. Es war dort viel sauberer als neben der Küche, und die Frau von Nikhil Nair hatte recht, als sie sagte, daß Textilien schnell den Geruch von Speisen annehmen. Halt ! Sie hatte doch den festen Entschluß gefaßt, daß er fortgehen müsse, nun aber überlegte sie sich alles mögliche, um ihn dazubehalten. Obwohl der Strom noch immer ausgefallen war, hörte sie, wie Hema die Tür oben wieder abschloß. Sie würde ihm sagen, daß sie sich geirrt hatte, daß der Darsi bald fortgehen würde, sie würde ihn fragen, ob er noch ein anderes Haus kannte, in dem es auch ein spezielles Arbeitszimmer gab,

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