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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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daß Papa nicht geblieben ist, hier braucht man am Tag höchstens ein Pfund zum Leben, und dann ißt man auch noch zweimal warm, auch wenn es schade ist, daß ich bei der Hitze kein Eis essen kann, aber Papa hat gesagt, daß nicht mal er das macht, wenn er in Indien ist, sie nehmen schmutziges Wasser dafür, sagt er, ich hatte schon Durchfall, in den ersten Tagen, der Mann vom Hotel in Neu-Delhi hat sogar den Arzt geholt, der hat mir ein Medikament gegeben und schwupp, war es weg, ich schlucke auch noch ein Mittel gegen Malaria, Opa hat sich doch auch Malaria eingefangen im Krieg, ich finde es furchtbar, so was zu kriegen, wenn man es erst mal hat, geht es nie wieder weg …«
    »Bist du meine Nichte Isabella?«
    »Auf den schrecklichen Namen höre ich nicht mehr.« Sie machte eine wegwerfende Geste und verzog angewidert das Gesicht. »Ich heiße jetzt Issy.«
    Madan hatte, außerhalb ihres Blickfeldes, die Stoffe zusammengepackt und trug sie nun mit gesenktem Kopf zum Klavierzimmer.
    »Hi!« rief Issy, und mit etwas leiserer Stimme fragte sie: »Ist das der Butler?«
    Charlotte wollte sagen, daß er der Mann sei, in den sie verliebt sei, mit dem sie ihr restliches Leben zusammensein wolle, daß es ein völlig unverhofftes Geschenk sei, daß heute nacht ihr Leben begonnen habe, aber sie schwieg.
    Madan, der es gewohnt war, sich in der Gegenwart einer unbekannten Frau abzuwenden, insbesondere, wenn es eine weiße Frau war, ging überglücklich weiter, bis er sie sagen hörte: »Nein, das ist Mukka. Er ist der Schneider.«
    »Ach so, kann er auch was für mich nähen, alles ist so spießig hier, das hier ist das einzige, was ich finden konnte, im Reiseführer steht, daß man am besten alle seine Sachen in Indien kaufen kann, weil alles so billig ist, aber sie schreiben nicht, daß hier alle nur in Sackkleidern oder Saris rumlaufen, ich hab jetzt schon zwei Tage dasselbe an, kann ich mal eben aufs Klo, das im Zug war so schmutzig, und nirgends Klopapier, unbegreiflich, in der ersten Klasse kriegt man saubere Bettwäsche, aber es gibt kein sauberes Klo, ich hab es die ganze Nacht eingehalten, irgendwann, als wir auf einem Bahnhof anhielten, wollte ich mich hinter einen Bretterzaun hocken, aber stell dir vor, der Zug wäre weitergefahren, weißt du, daß überall an den Bahngleisen Männer und Kinder pinkeln?«
    Ich geh an die Arbeit.
    Ich wollte nicht sagen, daß du der Schneider bist.
    Ich weiß.
    Ich hab’s nicht so gemeint.
    Ich weiß.
    Ich habe es nur so gesagt.
    Ich weiß.
    »Wo?«
    »Wie bitte?«
    »Das Klo!«
    Charlotte zeigte auf die Tür des Gästezimmers. Das Mädchen trippelte, es war unübersehbar höchste Zeit, ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Charlotte drehte sich zum Klavierzimmer um, aber die Tür wurde auch geschlossen. Sie wollte ihm folgen, ihm laut sagen, daß die Nacht kein Traum gewesen war, aber die geschlossene Tür sagte:
     
    TU ES NICHT
     
    Hema kam aus dem Küchenhaus. Er trug das Tablett mit dem Tee. Er war später dran als gewöhnlich, weil er das Wasser, das voller Sand war, erst hatte filtern müssen. Trotzdem beeilte er sich nicht, er wollte, daß alles wieder normal war, wenn er das Haus betrat. Er ging über den Pfad zum Nebeneingang – dort lehnte ein knallgelber Rucksack an der Hauswand. Er hatte niemanden gehört oder gesehen und fragte sich, ob der Rucksack wohl wieder einige der zahllosen Sachen enthielt, die die Damen aus Rampur zum Schneider brachten, damit er ihr Abendkleid noch schöner und ausgefallener gestaltete als das ihrer Freundinnen. Mit dem Fuß stieß er die Tür auf, wie er es immer machte, wovon ein abgetretener Fleck zeugte.
    Obwohl die Stoffe verschwunden waren, wußte er, daß er es nicht geträumt hatte, denn überall standen die Reste der abgebrannten Kerzen, und zerlaufenes Wachs verunzierte den Marmor und die Treppenstufen. Er seufzte, auch für ihn war die Nacht kurz gewesen, er hatte nicht mehr schlafen können und machte sich Sorgen, wie er die Reste des obskuren Festes beseitigen könnte.
    Er wollte die Treppe zu den Schlafzimmern hinaufgehen, als er Memsahib aus dem Salon rufen hörte.
    Sie hielt das Foto in der Hand, das seit Jahren auf dem Kaminsims stand. »Wir haben Besuch!«
    »Besuch?!«
    »Meine Nichte aus England ist gerade angekommen.«
    »Nichte?«
    »Die Tochter meines Bruders.«
    »Hier?«
    Sie zeigte auf das Mädchen mit den zwei Zöpfen und einem großen Eis am Stiel auf dem Foto. Hema hatte sich das Foto oft angesehen, weil

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