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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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Manchester«, fährt der Vizekönig fort. »Er hat sich auf Kehlkopfprobleme spezialisiert.«
    Der Maharadscha hustet wieder, der Diener hinter ihm schenkt ihm sofort kaltes Wasser in sein Glas ein. Er trinkt ein wenig und muß mehrmals schlucken. Er hat es noch nie erlebt, daß ein Vizekönig so persönlich wird. Der Maharadscha redet nicht gern über seine Gesundheit, und mit einem Engländer schon gar nicht. »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagt er mit heiserer Stimme. »Das ist nur eine leichte Reizung, ich glaube, Sie nennen das ›einen Frosch im Hals‹.« Er stellt sein Glas etwas zu fest auf den silbernen Untersetzer zurück. Für ihn ist das Thema deutlich beendet. »Lieben Sie die Jagd?«
    Die Augen des Vizekönigs leuchten auf. »Ich habe gehört, daß Sie das größte zusammenhängende Jagdrevier Indiens besitzen.«
    Der Maharadscha lächelt bescheiden. »Ich denke mal, um die viertausend Tiger leben in meinem Revier.«
    Der Vizekönig gibt ein beifälliges Brummen von sich. »Schießen Sie auch Elefanten?«
    »Nur, wenn sie ein Dorf angreifen.«
    »Wie der Elefant in der Eingangshalle?«
    »Der wurde nicht auf der Jagd erlegt, das war der Lieblingselefant meines Großvaters.« Die heisere Stimme des Maharadschas wird immer leiser. »Er ritt ihn, wenn er auf die Jagd ging. Ich nehme keine Elefanten, sondern Pferde. Jagd ist Schnelligkeit, meinen Sie nicht auch?« Er muß wieder husten.
    Der Diener tauscht sein Glas schnell gegen ein anderes ein, das eine braune Flüssigkeit enthält. Der Maharadscha trinkt mit Mühe einen Schluck, aber sein Hustenanfall will nicht aufhören. Der Vizekönig schaut sich besorgt um. Die Dienstboten, die sich in großer Zahl an der Wand des Saales aufgestellt haben, schauen alle starr vor sich hin, außer dem Mann mit dem grünen Turban, der schräg hinter dem Maharadscha steht. Er tritt vor und gibt ihm etwas aus einer kleinen Dose, und der Inder schiebt es sich hinter einen Backenzahn. Langsam läßt der Husten nach. Der Maharadscha keucht, und seine Augen beginnen zu tränen.
    »Soll ich diesen Halsarzt bitten, einmal bei Ihnen vorbeizukommen?«
    Draußen ertönt Gekreische. Ein Elefant trompetet. Der Mann mit dem grünen Turban rennt ans Fenster und eilt zum Maharadscha zurück. Er flüstert ihm etwas ins Ohr. Maharadscha Man Sing hört auf zu husten. Nach einem schnellen Blick durch das Fenster, vor dem das Kreischen zu hören ist, sieht er den Vizekönig an. Er beugt sich zur Seite zu dem Mann mit dem grünen Turban und sagt etwas in einer Sprache, die der Vizekönig nicht versteht. Der Maharadscha beginnt wieder zu husten, er versucht es zu unterdrücken und sagt keuchend: »Möchten Sie einen Elefanten schießen?«
    Der Vizekönig schluckt. »Einen Elefanten?«
    Der Maharadscha deutet auf das Fenster, das sofort aufgerissen wird. Die schrillen Rufe dringen in den Saal. Von allen Seiten kommen Männer angerannt, manche mit Gewehren. Von der disziplinierten Ordnung, die kurz vorher noch herrschte, ist nichts mehr übrig, Dienstboten rennen schreiend umher. Der hustende Maharadscha gibt dem Vizekönig durch eine Geste zu verstehen, daß er mit nach draußen kommen soll. Auf dem Platz vor dem Palast sehen sie einen Elefanten, der heftig mit dem Kopf und mit dem Rüssel schlägt. Männer mit Stöcken und Seilen umringen ihn. Der Sitz auf seinem Rücken ist verrutscht, ein Mann in einem langen violetten Mantel versucht sich krampfhaft am Rand festzuhalten, während der Elefant den Rüssel geschmeidig nach hinten wirft. Maharadscha Man Singh bekommt ein nagelneues Jagdgewehr gereicht, das er an den verdutzten Vizekönig weitergibt.
    Victor Alexander John Hope, zweiter Marquess of Linlithgow und Vizekönig von Indien, hat in England oft an der Jagd teilgenommen, sogar an der königlichen Jagd. Er ist ein brillanter Reiter und darauf versessen, Fasanen und Hasen zu erlegen, aber der wildgewordene Elefant macht ihm angst.
    Der Maharadscha muß wieder husten. Diesmal scheint er an seinem Anfall fast zu ersticken.
    Der Vizekönig nimmt das Gewehr.
    »Zwischen die Augen«, ächzt der Maharadscha.
    »Aber die Männer drumherum?«
    »Genau zwischen die Augen zielen«, stößt er keuchend und hustend hervor.
    Der Vizekönig sieht durchs Visier. Der Mann, der an dem Sitz hing, stürzt zu Boden. Der Elefant versucht ihn zu zertrampeln   – der lange violette Mantel hindert den Mann daran, wegzurollen. Ein kleiner Junge mit einem Stock springt vor ihn, aber bekommt einen so harten

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