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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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mit Sita, »Junior mit der Ayah« stand darunter, das andere war ein förmliches Porträt ihres kleinen Bruders mit ihren Eltern vor dem Haus, das Foto, das jahrelang über ihrem Bett in England gehangen hatte. Ein Foto vom Schiff oder ein Foto von ihr gab es nicht. Charlotte hatte sich die Bilder in diesem Album noch nie so bewußt angesehen. Sie war immer davon ausgegangen, daß das große schwarze Schiff, zu dem ihre Mutter sie gebracht hatte, fotografiert worden war. Sie zog ein anderes Fotoalbum heraus, Der Krieg stand auf dem Umschlag. Ein Käfer krabbelte schnell weg, und Motten umflatterten die Kerze. Diese Bilder waren viel kleiner, sie sah Männer in Uniform, die sie nicht kannte. Sie saßen an Tischen, rauchten Zigarren und schüttelten Hände. Ihr Vater, der einen Orden angesteckt bekam. Auf der letzten Seite fand sie das erste Foto, auf dem sie zu sehen war, es war ein Jahr nach dem Krieg geknipst worden. »Hochzeit Peter Harris und Charlotte Bridgwater Oktober 1946« stand darunter.
     
    Hema lag auf seiner Matte im Küchenhaus. Er hatte Reisig gesammelt und die Kohlen angezündet, denn auch das Kerosin war alle. Das Essen war fertig, und auch was sonst noch anfiel, hatte er erledigt. Draußen war es schon seit Stunden dunkel. Er sah hungrig auf die Töpfe mit Reis, Dhal und Gemüse. Er fragte sich, warum Memsahib nicht klingelte, in vielen Häusern unten am Hügel war das Licht schon aus. Vielleicht war etwas passiert, und sie brauchte Hilfe, in letzter Zeit kam es öfter vor, daß sie sich unwohl fühlte, sie war ja auch nicht mehr die Jüngste. Er sprang auf, warum hatte er nicht eher daran gedacht! Vielleicht war sie gestürzt, hatte sich verletzt, kam nicht an die Klingel. Die Klingel war auch schon öfter kaputt gewesen, vor allem in der Zeit, als der General noch oft sehr fest daran zog. Hema rannte auf seinen Schlappen über den Rasen zum großen Haus. Der Mond war gerade aufgegangen. Er hätte sich vor den Kopf schlagen können. Daß er eingenickt war und nicht wußte, wie lange er gedöst hatte, hätte er sich allerdings nie eingestanden. Vielleicht hatte sie ja geklingelt, und er hatte es nicht gehört. Hema war vor langer Zeit eingestellt worden, weil in seinem Zeugnis stand, daß er nie schlief und immer sofort parat war. Seit es kein anderes Personal mehr gab und er die siebzig weit überschritten hatte, duselte er oft ungewollt ein. Sein Neffe mütterlicherseits hatte ihm gesagt, daß das zu seinem Alter gehörte, aber davon wollte Hema nichts wissen.
    Die Seitentür stand offen, das wollte Memsahib so, damit es mehr Durchzug gab. Der Salon war leer, auch im ehemaligen Arbeitszimmer ihres Vaters war sie nicht. Hema eilte die Treppe hinauf. Seine Knie knarzten genauso laut wie die Stufen. Vor ihrer Tür blieb er stehen. Er räusperte sich. Er wußte, daß sie nicht ungefragt gestört werden wollte. Die Vorstellung, daß sie gestürzt war, wieder einen Malariaanfall oder Schlimmeres hatte, ließ ihn leise an die Tür klopfen. Vor einiger Zeit hatte er sie einmal geweckt, sie war an einem normalen Wochentag schon früh am Abend eingeschlafen, und er hatte geglaubt, daß sie nicht mehr atmete. Sie war wütend geworden und hatte gesagt, er solle bloß nicht noch einmal auf die Idee kommen, sie zu wecken, und falls sie tot wäre, dann sei es doch sowieso egal, hatte sie noch gerufen. Mit dem Bild vor Augen, wie sie hilflos auf dem Boden lag, klopfte er noch einmal an die Tür. Es blieb still. Er ging zum alten Kinderzimmer. Die Tür war abgeschlossen. Er nahm den Schlüssel vom Nagel, steckte ihn ins Schloß und drehte ihn ganz leise um. Er horchte. Es blieb still. Behutsam öffnete er die Tür und schlich hinein. Er mochte den säuerlichen Geruch nicht, der in diesem Raum hing, aber Memsahib hatte ihm verboten, die großen Fenster zu weit offen zu lassen. Auf Zehenspitzen ging er weiter. Er steckte einen kleinen Schlüssel ins Schloß der Balkontür und konnte auch diese Tür öffnen, ohne daß sie quietschte. Schnell schlüpfte er auf den Balkon, wieder in die Nacht hinein, und schloß die Tür. Im Licht des zunehmenden Mondes ging er zum Fenster von Charlottes Schlafzimmer. Die Fenster und Türen standen sperrangelweit offen, die Vorhänge bewegten sich sacht. Er ging auf die Knie nieder. Im Schlafzimmer war es stockdunkel. Er spähte über den Rand der Fensterbank und hörte den Ventilator über ihrem Bett surren. Horchend starrte er in den Raum, aber wegen des Moskitonetzes konnte er nicht

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