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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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Stimme aus dem Salon.
    Charlotte schaute in das Zimmer. Auf dem Boden vor der Steckdose saß Isabella zwischen einem Haufen von Kabeln und Steckern und lachte ihrer Tante zu.
    »Wir brechen die Tür auf!« rief die Frau von Nikhil Nair und fuchtelte wild in der Luft herum.
    »Ist er etwa auf und davon?« sagte die korpulente Frau des Kokosölfabrikanten mit vor Entrüstung heiserer Stimme.
    »Er hat die Tür verbarrikadiert!« brüllte Witwe Singh, die entgegen ihrer Gewohnheit auf einmal hellwach war.
    »Das lassen wir uns nicht bieten!« schrie die Frau von Adeeb Tata, die trotz ihres teuren Kleides aus Paris auch noch einen Seidenstoff zu dem außergewöhnlichen Schneider gebracht hatte, der von allen so gelobt wurde.
    »Mein Goldbrokatkleid …«, jammerte die Frau von Ajay Karapiet, die schon Nächte davon träumte, mit ihren schwarzen Schuhen zu tanzen.
    Sogar die Frau von Alok Nath war zu hören, allerdings ging ihr Beitrag in den verzweifelten Schreien der anderen unter.
    Charlotte ging zur Tür des Klavierzimmers und drückte die Klinke herunter, doch die Tür ging nicht auf. Sie wußte genau, daß sie ihm den Schlüssel nicht gegeben hatte. Der hing an ihrem eigenen Schlüsselbund, und seit sie den letzten Rubin des Lampenschirms verkauft hatte, war es nicht mehr nötig gewesen, abzuschließen.
    Wo bist du? rief sie in ihren Gedanken, aber die Damen machten so viel Tamtam, daß sie ihn nicht hörte.
    Die Frau von Nikhil Nair winkte Charlotte, aber die hatte absolut keine Lust, zu der tyrannischen Frau zu gehen. Sie blieb vor der Tür des Klavierzimmers stehen und rief: Hörst du mich? Was ist los? Antworte!
    »Wir wollen den Schlüssel!« rief die Frau von Nikhil Nair.
    Charlotte horchte angestrengt, ob sie eine Antwort erhielt, und sah nicht die grimmigen Blicke der dicken, rosa Frau, die die Treppe herunterkam. Mit viel zu großen Schritten für ihren Sari steuerte die Frau des Distriktsdirektors der Eastern Indian Mining Company schnurstracks auf ihr Ziel zu. Ihre Stirn war naß, und unter ihren Achseln zeigten sich Schweißflecke. Die Damen des Dienstagmorgenclubs machten ihr Platz.
    Schnaufend stand sie vor Charlotte und hielt die Hand auf. »Hast du den Schlüssel?« kommandierte sie.
    »Ja, natürlich habe ich den Schlüssel«, sagte Charlotte mit übertriebener Freundlichkeit, »das hier ist mein Haus, ich habe von allen Zimmern einen Schlüssel.«
    »Dann schließ auf!«
    »Nein, ich schließe nicht auf, dieses Zimmer habe ich vermietet.«
    »An einen Betrüger!« skandierte die korpulente Frau.
    »Ein Betrüger!« echote eine andere, die weiter hinten stand.
    »An den Schneider, der seit Wochen Tag und Nacht für euch arbeitet.«
    »Morgen ist das Fest! Wir wollen unsere Kleider!«
    »Wir wollen sie sofort!«
    »Ich muß noch die passenden Schuhe aussuchen.«
    »Ich weiß nicht, welche Kette ich dazu tragen kann.«
    »Ich konnte mir noch keine Ohrringe kaufen.«
    »Ich will einen neuen Lippenstift.«
    »Beim Anprobieren saß mein Kragen nicht richtig.«
    »Ich habe vergessen, welche Farbe mein Kleid hat.«
     
    Er war fast fertig. Die zerstoßenen Mimosenblüten waren in den Saum des Kleides für die Frau von Nikhil Nair eingearbeitet. Die schwer zu beschaffenden Blüten des Teakbaums hatte er früh am Morgen endlich gefunden und in die Schultern der Bluse für die Frau des Sekretärs eingebügelt. Blätter des Zimtbaums hatte er in dünne Streifen geschnitten und in den Nähten des Kleides mitgenäht, das er für die schüchterne Frau entworfen hatte. Die Mischung aus getrockneten Vergißmeinnicht und Ringelblumenwurzeln befand sich in dem Kleid der Frau, die ihren Sohn verloren hatte, und die Büstenpartie der Festrobe für die Frau des Kokosölfabrikanten war mit fein zermahlenen Petuniensamen bestäubt. Er mußte nur noch die Staubfäden der wilden Orchidee in den Ausschnitt des Kleides für die Frau von Ajay Karapiet einarbeiten. Er hörte, wie sie an seine Tür hämmerten. Er versuchte, nicht auf das Chaos in der Halle zu achten. Wenn er jetzt einen Fehler machte, konnte das verheerende Folgen für die Trägerin des Kleides haben. Als er die wütenden Frauen die Treppe heraufmarschieren sah, konnte er gerade noch rechtzeitig den Schrank vor die Tür schieben. Er hatte sich gewundert, daß ihm das geglückt war, denn hinter dem Schrank waren so viele Spinnweben, daß man meinen konnte, er sei seit hundert Jahren nicht mehr von der Stelle gerückt worden. Das Geschrei in der Halle wurde immer

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