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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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seine Verspätung.
    Charlotte reicht ihm stolz die Zeitung. »Sieh mal! Mein Vater ist ein Held.«
    Peter liest. Sie sieht, wie seine Miene starr wird, sein Lächeln verschwindet und sein Gesicht einen fahlgrauen Ton annimmt.
    »Was ist denn?«
    Er schüttelt den Kopf. Er versucht wieder zu lächeln, aber es ist nur ein bitteres und hartes Grinsen.
    »Es steht in der Zeitung«, sagt sie, es klingt wie eine Frage.
    Der sanfte Glanz in seinen Augen erlischt. Seine Lippen erstarren.
    »Dann muß es doch stimmen?«
    Er nickt.
     
    Sie sitzen sich am Tisch gegenüber. Ihr Teller ist leer. Sein Teller steht unberührt vor ihm. Sie blickt auf seine Hände, die neben dem Teller liegen. Sie zucken leicht. Daß an einer Hand der kleine Finger fehlt, fällt ihr fast nicht mehr auf – außer jetzt. Es scheint, als ob die Wunde röter ist, angeschwollen. Es ist, als wäre etwas in ihn gefahren. Etwas, von dem sie nichts weiß. Etwas, worüber er nicht sprechen will. Sie muß ihrem Vater schreiben und ihn fragen, was geschehen ist, sonst, da ist sie sich sicher, wird sie nie einen Ehering tragen.

1995
Rampur
     
     
     
    »Ich suche etwas Kleines, mehr so wie dieses Haus.« Charlotte stand mitten in Sitas Zimmer und sah sich um. Nie zuvor hatte sie die verschiedenen Details in dem ihr so vertrauten Häuschen so deutlich wahrgenommen. Seit dem Moment, als ihr Vater die Vollmacht unterschrieben hatte, war in ihren Augen alles anders geworden. Die verdorrten Bäume sahen weniger verdorrt aus, die Hitze war fast erträglich, sie hatte sich einen Keks zum Tee gegönnt, und sogar ihre Verliebtheit erschien ihr nicht mehr ganz so unmöglich. »Vielleicht gehe ich auch weg aus Rampur.«
    »Wo willst du denn hin?« Sita schnitt eine Tomate klein, und hinter ihr köchelte das Dhal und verbreitete einen herrlichen Duft.
    »Ich weiß noch nicht. Vielleicht irgendwohin, wo nicht immer die Sonne scheint.«
    »Ißt du mit?«
    »Ich muß nach Hause, Donalds Tochter ist zu Besuch.«
    »Das habe ich gehört, alle reden darüber. Ich dachte schon bei mir: Noch ein Gast. Ißt du denn überhaupt noch was?«
    Charlotte umarmte die kleine Frau, die für sie Mutter, Freundin und Schwester war.
    »Mama?« ertönte eine fröhliche Männerstimme.
    Betreten sahen sich die Frauen an. Die vertrauliche Atmosphäre war verschwunden. Beide drehten sich ruckartig zur Tür. Parvat trat herein in seiner hellbraunen Uniform mit glänzenden Knöpfen, schüttelte die Gummistiefel von den Füßen, aber vergaß, den gelben Helm abzusetzen.
    »Tante Charlotte!« rief er freudig.
    Er kniete nieder, um ehrerbietig ihre Füße zu berühren. Dann umarmte er Sita. Charlotte wäre eine Umarmung lieber gewesen; wenn er seinen großen Körper an ihren schmiegen würde, könnte sie ihn spüren lassen, daß sie ihn liebte. Er sah im Kühlschrank nach, ob noch was zu naschen da war, als seine Mutter ihm schon einen Teller füllte.
    »Auf den Paneer mußt du noch einen Moment warten.«
    »Ißt du mit uns, Tante Charlotte?«
    »Nein, ich muß wieder los, meine Nichte ist zu Besuch.«
    »Ich hab’s schon gehört. Die Männer in der Kaserne sagen, mit ihrem Kommen hat sich der Wind gedreht. Sie sagen, es wird regnen.«
    »Das wäre phantastisch.«
    »Sie bringt Glück, sagen sie.«
     
    Ob Issy wirklich Glück bringt? fragte sich Charlotte, als sie den Hügel zum großen Haus hinaufstieg. Es stimmte, ihr Vater hatte endlich die Vollmacht unterschrieben, Hema lief trotz der drückenden Hitze pfeifend umher, sie selbst fühlte sich so jung wie schon lange nicht mehr, und sogar der Apfelbaum schien den Monsun vorwegzunehmen. Sie ging am Schuppen des Mali vorbei und bog um die Ecke. Vor dem Haus sah sie eine lange Reihe Autos stehen, sogar der Ambassador von 1957 der Witwe Singh war da, und die Eingangstür stand sperrangelweit offen. Schon von weitem hörte sie empörte Stimmen. Zwei Stufen zugleich nehmend, rannte sie die breite, geborstene Steintreppe hinauf.
    In der Halle, mitten auf der Treppe, stand erhitzt und schwitzend die Frau von Nikhil Nair in einem knallrosa Sari. Von ihrem erhöhten Platz aus hielt sie eine Ansprache an die Frauen und deutete auf die geschlossene Tür des Klavierzimmers. Alle nickten, und grimmiges, zustimmendes Gemurmel war zu hören. In einer Ecke stand Hema, Panik im Blick, und wußte nicht, was er mit dem Tablett voller Wassergläser tun sollte, sich dann schließlich selbst eines nahm und es schnell austrank.
    »Ein richtiger Streik, was!« kam eine

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