Warten auf den Monsun
treten! Na, wie?«
Charlotte kennt die Tiraden, wenn sie ihn nicht stoppt, geht es stundenlang so weiter. »Vielleicht zeigst du ihnen mal, daß es viel besser geht, wenn sie Schuhe anhaben.«
»Du erwartest doch wohl nicht, daß ich sein Personal mit Schuhen versorge, ich bin nicht die Armee.«
»Nein, aber zeig es ihm wenigstens, vielleicht lernt er ja was daraus.«
»Ja, ich zahle nämlich nicht einen Monat lang Lohn für einen Trupp Erdarbeiter mit nackten Füßen.«
Der General zieht seine Lieblingsstiefel an. Stiefel, die mehr über ihn erzählen können als irgend jemand sonst, die wissen, wo er gewesen ist, wo er angeblich, aber in Wahrheit nie war, wem er gehorcht und wen er gedemütigt hat. Wen er verführt, liebkost, getreten und zertreten hat. Die Stiefel, die er auf seinem großen Fußmarsch tragen wird. Die Stiefel, die er als seine besten Freunde ansieht.
Am Anfang der Zufahrt arbeiten die Männer mit bloßen Füßen, gemächlich schaufeln sie die Erde weg. Sie schürfen und wühlen im Boden, bis er locker genug ist, um ihn abtragen zu können. Der ehemalige Kommandant kocht innerlich, aber er weiß, daß er sich beherrschen muß. Hier auf der Zufahrt zu seinem Haus kommt er, sollte sein Wutanfall außer Kontrolle geraten, nicht so straflos davon wie vor seiner Pensionierung. Er verhält den Schritt und holt tief Luft. In Gedanken zählt er ganz langsam bis zehn, bevor er ausatmet. Wieder atmet er tief ein und wiederholt das Ganze. Bei der Zahl Zehn ist er unten am Hügel. Die Männer, die am Morgen noch Tee von ihm bekamen, spüren, daß etwas in der Luft liegt, und blicken nicht auf. Ihre Spaten graben. Ihre schwieligen Füße mit den rissigen Zehennägeln stehen auf den scharfkantigen Steinen. Einer der Männer, ein junger Bursche mit einem Tuch um den Kopf, hat den General nicht gesehen und singt mit hoher Stimme einen populären Filmsong, während seine Schaufel in der Erde wühlt. Mit einem Ruck entreißt ihm der General die Schaufel, schiebt ihn beiseite und nimmt seinen Platz ein. Er setzt den Spaten an und tritt ihn mit seinem Stiefel ins Erdreich. Sofort merkt er, daß es fast unmöglich ist, den Spaten auf einen Schlag in den Boden zu treiben. Er schöpft Luft, er erkennt das Gefühl wieder, wenn seine Fußsohle darauf wartet, zuzutreten. Beim Ausatmen setzt er alle Kraft ein. Der Spaten fährt in den Boden. Triumphierend wirft er die volle Schaufel Erde auf den Haufen. Wieder rammt er den Spaten mit einem kräftigen Tritt in den Boden, noch entschlossener, noch tiefer. Und noch einmal. Und noch einmal. Schweißperlen treten ihm auf Stirn, und seine Arme beginnen leicht zu zittern. Sein Körper knarzt und ächzt, er ist die schwere körperliche Arbeit nicht mehr gewohnt. Er ignoriert es, er will in die Erde hinein, er wird den Lahmärschen mal zeigen, was Arbeiten ist. Die Männer haben die Arbeit unterbrochen und sehen dem großen alten Engländer zu, der heute morgen so vornehm wirkte und jetzt wie ein Besessener ans Werk geht. Wieder und wieder tritt er den Spaten in die Erde, immer tiefer, immer schneller.
Als sie den nächsten Spatenstich erwarten, hört er abrupt auf. »Das ist Arbeiten«, keucht er. »Ich bin verdammt noch mal ein pensionierter alter Knacker, also soll mir keiner von euch erzählen, er kann es nicht. Ihr wollt bloß nicht. Warum kommt dieses Land mit der Entwicklung nicht voran, na, was meint ihr wohl? Weil es zu viele Schlappschwänze wie euch gibt. Glaubt ihr etwa tatsächlich, wir hätten den Krieg barfuß gewinnen können?« Er stampft mit dem Fuß auf und setzt seine Tirade fort.
Am Anfang der Zufahrt stoppt ein großer LKW , der mit Rohren beladen ist. Langen, eisernen Kanalisationsrohren. Oben auf den Rohren sitzen vier Männer. Der Fahrer hupt und winkt aus seiner Kabine den Männern auf der Zufahrt zu. Der General, der durch die Unterbrechung den Faden verloren hat, sieht den Fahrer wütend an. Als er die Männer auf den Rohren erblickt, geht er zu dem Wagen hin und fordert sie auf, abzusteigen. »Noch so eine Bande Nichtsnutze! Kapiert ihr denn nicht, daß ihr für den Lohn, den ich euch zahle, arbeiten müßt?«
Die Männer springen nacheinander herunter.
»Und jetzt wollt ihr mir sicher weismachen, daß es eine Woche dauert, um die Rohre abzuladen.« Er hat den Spaten noch immer in der Hand. Ehe es irgend jemand richtig mitbekommt, geht er auf den Wagen zu und haut mit ein paar Spatenschlägen die Stricke um die Rohre durch. Der Fahrer brüllt
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