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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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zurückgekehrt ist, hat sie keinen Gärtner mehr, und ihr Faktotum haßt Gartenarbeit, das weiß ich von dem Bruder meines Chauffeurs. Und …«, sie senkte die Stimme, um es spannender zu machen, »… jemand hat gesehen, daß sie, wenn es noch dunkel ist, den Rasen mäht! Selber! Den Rasen! Die Besitzerin des großen Hauses persönlich!«
    Diese Neuigkeit war sogar für die Frau von Ajay Karapiet ein Grund, sich aufrecht hinzusetzen. »Sie mäht selber den Rasen   …!?« krächzte sie heiser.
    »Sie will natürlich nicht, daß es jemand weiß, deshalb macht sie es nachts, aber wenn man diese drei Sachen zusammen nimmt, wird einem alles klar. Und es ist ja noch kein einziges Kleid fertig. Ich bin davon überzeugt, daß der Schneider, der dafür sorgen soll, daß wir in ein paar Wochen alle festlich gekleidet sind, die Gartenarbeit macht!«
    An der anderen Seite der Leitung war ein klägliches Seufzen zu hören. Die Kranke fiel wieder in die Kissen zurück.
    »Ich bin froh, daß du der gleichen Meinung bist. Ganz unter uns: Das ist doch altmodisches Kolonialverhalten, oder etwa nicht?«
    Der Frau von Ajay Karapiet war nie so richtig klar gewesen, was »Kolonialverhalten« nun eigentlich bedeutete, und sie seufzte nur wieder etwas Unverständliches. Engländer waren für sie die Leute, die Eisenbahn und Post im Land eingeführt hatten. Beide Institutionen arbeiteten noch immer phantastisch, und ihre Kinder, und damit auch sie, machten davon ausgiebig Gebrauch, zumal alle ihre Kinder fern von zu Hause studierten.
    »Ich finde, wir müssen was tun. Wir können das nicht zulassen. Wir fahren hin.«
    Die Frau von Ajay Karapiet stöhnte wieder.
    »Bist du wirklich krank?«
    »Ach, hol mich ruhig ab …«, sagte die Frau von Ajay Karapiet, denn sie wußte, daß ihre Freundin sowieso nicht lockerlassen würde.
     
    Charlotte hörte einen Wagen über den Pfad fahren, der schon seit Jahren nicht mehr als Auffahrt bezeichnet wurde. Nicht, seitdem das Loch in der Erde, das ihr Vater gegraben hatte, zwei Jahre offen geblieben war. Die Kanalarbeiter hatten, nachdem der Krankenwagen weggefahren war, murrend geholfen, die Rohre wieder auf den LKW zu wuchten, und waren verschwunden. Der Boden sei zu hart, hatten sie noch erklärt. Nach dem darauf folgenden Monsun – ihr Vater befand sich in einer Rehabilitationsklinik und lernte, sich mit seinen unbrauchbaren Gliedmaßen zu bewegen – hatte sie eine andere Firma beauftragt; der Unternehmer hatte sich das Ganze angeschaut und gesagt, es ginge viel leichter und schneller, wenn die Rohre an der anderen Seite des Hügels verlegt würden. Er hatte recht gehabt. Seine Männer hatten problemlos einen tiefen Graben durch den Garten ausgehoben. Als sich Charlotte zum erstenmal auf die moderne Spültoilette setzen konnte, war es genau hundertacht Jahre her, daß Königin Victoria zum ersten Mal auf ihrer gesessen hatte. Charlotte hatte die Männer gebeten, das Loch am Anfang der Auffahrt zuzuwerfen, und der Vorarbeiter hatte höhnisch gelacht: »Den schmalen Weg nennen Sie eine Auffahrt!« Von dem Moment an hatten sie alle nur noch vom »Pfad« gesprochen, und als ihr Vater nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder nach Hause kam, waren der Garten und das Haus so verfallen, daß es bei diesem Namen geblieben war.
    Aus dem Wagen stiegen die Frau von Nikhil Nair in ihrer pinkfarbenen Bluse und die Frau von Ajay Karapiet, die sich eine Strickjacke übergezogen hatte. Hema rannte aus dem Küchenhaus über den Rasen zum Personaleingang und durch die Halle und kam gerade noch rechtzeitig, um die Haustür öffnen zu können, als geklingelt wurde. Er ließ die Damen in der kahlen Eingangshalle stehen und ging in den Salon. Memsahib, die bereits wußte, wer ihre Besucherinnen waren, kniete auf dem Boden. Ohne ein Wort zu sagen rollten sie zusammen den Teppich aus und verteilten die Stühle so, daß das Zimmer nicht ganz so leer wirkte. Schnell zog Charlotte ihren Rock zurecht, tupfte sich die Stirn trocken und nickte, daß er die Damen hereinführen könne. Es wurden Hände geschüttelt und Höflichkeiten ausgetauscht. Die Frau von Ajay Karapiet hatte hochrote Wangen, und der Schweiß rann ihr übers Gesicht. Charlotte wußte nicht, daß sie fast vierzig Fieber hatte, und fand es taktlos, das Thema anzusprechen, da momentan alle unter übermäßiger Transpiration litten.
    »Wir fuhren zufällig hier vorbei und dachten, wir sagen dir eben guten Tag. Wir kommen doch nicht ungelegen?«
    »Nein, nein.

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