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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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nie jemanden reden gehört …!
    So redet sie immer, antwortete Charlotte, ohne ihn anzusehen. Ich antworte ihr einfach irgendwas und hoffe, daß es paßt.
    Aber mich kannst du gut verstehen. Auch er sah sie nicht an.
    Charlotte lief noch röter an, und das Gefühl in ihrem Bauch wurde noch stärker. Sie wollte nichts denken, aber das ging nicht. Sie zweifelte, ob es wirklich seine Antworten waren, vielleicht entsprangen sie ja nur ihrer Phantasie. Die Sätze, die sie in ihrem Kopf hörte, waren so direkt und ungeniert, daß sie eigentlich nicht von ihm stammen konnten.
    Du zweifelst.
    Charlotte nickte.
    Die Frau von Alok Nath dachte, Charlotte sei wie sie der Ansicht, daß sie sich für den falschen Stoff entschieden hatte und besser einen neuen kaufen sollte, denn darauf hatte ihre Frage abgezielt. Erstaunt sah Charlotte zu, wie sie Madan den Stoff aus der Hand nahm und in ihre Tasche steckte. Sie nickte dem Schneider freundlich zu und hauchte ein paar Worte.
    Dann geh ich mal wieder.
    Bleib . Charlottes Gedanke war schneller als die Selbstbeherrschung, die sie sich immer selbst zugeschrieben hatte. Sie sah Madan erschrocken an. Nein, geh nur. Ich weiß gar nicht mehr, was hier passiert. Ich begreife es nicht. So etwas habe ich noch nie erlebt. Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    Die Frau von Alok Nath war davon überzeugt, daß Charlotte wegen des Stromausfalls plötzlich noch mehr unter der Hitze litt, und zum zweiten Mal im Leben verstand Charlotte, was sie sagte: »Ruf den Butler!«
    Charlotte zog mechanisch an der Klingelschnur.
    »Fühlst dich nicht gut?« Die spindeldürre Frau stellte sich neben sie.
    »Doch doch, es ist nichts«, sagte Charlotte. Sie hörte, wie die Tür auf- und zuging, und wußte, daß Madan gegangen war. Ihre lange unterdrückten Sehnsüchte überwältigten sie mit solcher Intensität, daß sie nach Luft rang. Zugleich überkam sie panische Angst. Ihr Körper zuckte leicht.
    Die Frau von Alok Nath sah sie besorgt an und atmete erleichtert auf, als das Licht anging und der Ventilator über ihrem Kopf wieder rotierte. Ihre Stimme war nun wieder so leise wie vorher. Unter unverständlichem Gemurmel schloß sie den Fensterladen und zog den Vorhang wieder zu.
    Hema brachte ein Tablett mit Tee und schenkte ein. Die Frau von Alok Nath verzichtete auf den angebotenen Keks, und Charlotte beschloß, einen anderen Arbeitsplatz für den Schneider zu suchen – und auf dem Fest ein altes Kleid zu tragen.
     
     
    Als Hema zum Küchenhaus zurückging, sah er Madan im Schatten einer der großen Akazien sitzen. Beim Tee-Einschenken hatte er mitbekommen, daß Mrs. Nath ihren Stoff wieder abgeholt hatte. Hema ärgerte sich darüber, daß der Schneider schon bei der ersten kleinen Schlappe im Garten saß und schmollte; am meisten störte ihn jedoch, daß er den Mann nicht, wie er es von früher gewohnt war, zur Ordnung rufen konnte. Er sagte sich zum vierten Mal an diesem Tag, daß Memsahib den Mann besser nicht ins Haus genommen hätte, korrigierte aber auch zum vierten Mal diesen Gedanken, denn wenn der Darsi nicht wäre, könnte er nie so viele Einkäufe tätigen.
     
    Madan lehnte sich an den Baumstamm und schloß die Augen. Ich begreife es nicht, wie kann sie mich verstehen, bis jetzt hast nur du mich verstanden, nie die anderen Menschen, das weißt du, warum kann sie es? Er öffnete die Augen und blickte zu dem Haus mit den geschlossenen Fensterläden. Alles, was ich denke, hört sie, sogar, wenn ich es nur ganz kurz denke, als ob sie mir in den Kopf sehen könnte. Er schloß die Augen wieder, atmete tief ein und ließ die Luft langsam durch die Lippen ausströmen. Durch sie merke ich plötzlich, daß ich in Gedanken alles sage, man darf aber nun mal nicht sagen, was man denkt, aber im Kopf braucht man nicht höflich zu sein. Wie kommt es, daß sie mich hören kann? Wieder öffnete er die Augen und sah zum Haus hin. Sie hält mich für dreist und glaubt, ich hätte keinen Respekt vor ihr. Er schloß die Augen wieder. Aber den habe ich, auch in meinem Kopf, wirklich, aber ich kann nicht untertänig denken, denn wenn ich im Kopf reden muß so wie andere mit ihrer Stimme, wo kann ich dann noch wirklich denken? Wieder entfuhr ihm ein tiefer Seufzer. Ich muß aufhören, mit ihr zu reden, hätte ich mir in meinen Gebeten an dich doch nur nicht beigebracht, daß ich alles einfach sagen kann, ich werde mir alle Mühe geben, nicht an sie zu denken, auch wenn sie nicht in der Nähe ist. Über seinen

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