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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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der Autofahrer selbst umgekehrt auf seinem Sessel an einer ruhenden Welt vorbeigetragen wird, die er durch das mitbewegte Fenster betrachtet. Das Reflektiertwerden der Moderne: Die erste Potenzierung dieser conditio humana erlebt man, wenn im Fernsehen Autorennen zu sehen sind; man sieht auf ruhendem Sitz vorbeidonnernde Boliden, deren Fahrer ihrerseits die feste Außenwelt an sich vorbei- rasen sehen. Die zweite und dritte Potenzierung: Es gibt im Auto Fernsehschirme, so daß der bewegte Betrachter nach außen in die ruhende Landschaft sehen, aber auch zum Schein ruhend vor sich bewegte Bilder sehen kann. Der reflektierte Höhepunkt dieser bewegten Auto-Innenbilder ist zweifellos das Autorennen, das Kinder und Erwachsene live auf den Hintersitzen verfolgen.
    Könnte man die Altmeister der bewegten Betrachter, Kopernikus und Galilei, in eines dieser Automobile stecken, wären sie sicher verwirrt.
Irgendwo und irgendwann
    Alice: »Und was ist wirklich? Es muß doch alles Wirkliche irgendwo und irgendwann sein, sonst ist es nicht.«
    König: »Ach was! Du bist doch kein kleines Kind mehr!«
Elfenbeinturm
    Die Berliner Ministerin sprach am Schluß der Komiteewoche vor den Universitätsfunktionären noch einmal intensiv von der notwendigen Einbindung auch der Geisteswissenschaften in die Erfordernisse der Wirtschaft. Die öffentliche Darstellung von Fächern in Aktionswochen und in der »Nacht der Wissenschaft« habe absoluten Vorrang vor unnötigen Detailkenntnissen, dies gehe auch deutlich aus dem Schaffen Albert Einsteins hervor, dem sie sich seit ihrer Kindheit besonders verbunden fühle. Einstein habe nicht im Abseits geforscht, sondern im Patentamt, um seine Ergebnisse sofort patentieren und veröffentlichen zu lassen.
    Besonderen Beifall erhielten die pointierten Sätze der Ministerin gegen den typisch deutschen Elfenbeinturm, den es in Amerika einfach nicht gebe. Einige ältere Teilnehmer lachten; der Grund des Lachens blieb den jüngeren unklar, auch der Ministerin.
Wahrheit
    Â»Sie erzählen hier eine wirklich wunderbare Geschichte! Haben Sie das alles miterlebt?«
    Â»Ja, ich war dabei! Ich habe alles gesehen.«
    Â»Wie, Sie waren zu der Zeit selbst in Kastilien?«
    Â»Schon, aber es ist so: Der Freund, der einem Freund von mir diese Geschichte erzählt hat, sagte ihm, sie sei so wahr, daß er sagen könne, auch er sei dabeigewesen, und das hat wiederum mein Freund auch zu mir gesagt – wenn ich dieseunbezweifelbare Geschichte erzähle, kann ich sagen, ich hätte das alles miterlebt.«
    Â»Erzählen Sie weiter.«
Odysseus
    Â»Entschuldige die Störung, ich möchte endlich Homers Odyssee lesen, nach James Joyce und so vielen Filmen. Tausend Geschichten, schönste Gesänge, wie ich schon weiß. Was muß ich besonders beachten?«
    Â»Achte zunächst auf das, was Zeus am Anfang der Odyssee beklagt: Wie Agamemnon, der Führer der Griechen vor Troja, nach Hause kommt (die genaue Route, die er vom zerstörten Troja nach Mykene nahm, kennt keiner, aber er wird phantasielos den kürzesten Weg genommen haben). Vor Mykene angekommen, läßt er sich ankündigen und betritt dann breitspurig seinen Palast, überstolz über den Sieg, der nicht seinen Waffen, sondern der List des Odysseus zu verdanken war, denn Odysseus hatte die Idee mit dem hölzernen Pferd. Agamemnon trat in seinen Palast, nahm ein Bad und wurde mit einer Axt von Klytemnestra, seiner Frau, und Ägisth, deren Liebhaber, erschlagen – das Ende der Herrlichkeit des Atriden.
    Und dann die Odyssee. Odysseus trifft bei seiner wechselvollen, anekdotenreichen Rückkehr von Troja auf immer neue Hindernisse, gewaltige Stürme, einäugige Riesen, wunderbare Frauen, alle stellen sich ihm in den Weg, trainieren seine List und Geduld, bis er nach 12 abendfüllenden Gesängen in Ithaka eintrifft, wo Penelope auf ihn wartet. Und nun lies, wie er sich langsam seinem Palast nähert. Er sondiert zunächst, wie es dort steht, verstellt sich und kehrt beim Schweinehirten ein. Im eigenen Palast voller Freier um Penelope spricht er als Bettler vor, nur sein alter Hund Argos erkennt ihn, wedelt mit dem Schwanz und stirbt. Danach entdeckt eine Magd beim Waschen seiner Füße seine alte Narbe am Bein und erkennt ihn. Sie schweigt, und so kann Odysseusdie Rückkehr in seine alten Rechte weiterführen; mit Telemachos, seinem Sohn, bereitet

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