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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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ist?«
    Â»Ach so.«
    Â»Das wäre also eine Sackgasse. Wenn die Vergeltung gesetzlich notwendig ist, ist sie gut, weil das Gesetz festlegt, was gut und übel ist; das subjektive Übel also, der Schmerz, den der Verbrecher zur Vergeltung erleidet, ist objektiv gut, glaub es mir.«
    Im unterirdischen Kanalsystem von Schuld und Sühne gelten dieselben Regeln wie im oberirdischen Kommerz, die Gesetzgebung und die Gerichte sind an den Äquivalenten- tausch gebunden wie die Kaufleute an die Regeln des gerechten Preises. Nur ist der biblische Naturalientausch, meine Zähne, deine Zähne, nicht konsequent durchführbar und muß einer anderen Recheneinheit folgen. Bei Mord und Totschlag, Diebstahl und Folter: Das Äquivalent in der Währung, zu der der Staat befähigt ist, ist die schmerzhafte Geld- oder Freiheitsstrafe, alles andere widerspricht dem unverlierbaren Personsein des Menschen und der Würde des Staats, auch sie ist unantastbar, selbst der Verbrecher kann sie nicht beeinträchtigen. Der Bibelglaube an die staatliche Steinigung, das Vierteilen und Rädern, die Garrotte und das Kopfabschlagen sind dinosaurische Relikte. Sie setzen auf der Staatsseite voraus, daß es unter den Bewohnern ehr- und personlose Menschen gibt, für die die Formel der Freiheit und Gleichheitnicht gilt. In den fortgeschrittensten Todesstaaten hat sich die Strafjustiz schon in ferne Betonanlagen zurückgezogen und dort wieder in die Nadelspitze einer Giftspritze, mit der der festgeschnallte Delinquent umgebracht wird, fast spurlos, gewaltlos durchführbar von einem Kind. Die Todesstrafe wird eines Tages auch dieses zynische Nichts der Nadelspitze räumen müssen, aber auf ihr können bis dahin nach alten Berechnungen 666 Teufel zugleich herumtanzen.
Dilemma
    Ein ehemaliger Staatspräsident und notorischer Verbrecher S. steht vor einem Tribunal, das das Regierungssyndikat einer anderen, widerrechtlich eingedrungenen Macht errichtet hat. Wie ist die Lage zu beurteilen? Daß ehemalige Staatschefs mit ihrer Bande vor ein Gericht gestellt werden, ist wenigstens seit der Französischen Revolution und dem Nürnberger Nachkriegsgericht eine Praxis, die das Rechtsgefühl mit Genugtuung begleitet, wenn es auch gute Gegenargumente gibt. Daß jedoch die Errichtung des Tribunals auf Verbrechen beruht, paralysiert unser Urteil und läßt das Rechtsgefühl erstarren. So viel ist sicher: S. wird kein Unrecht getan, wie immer das Urteil ausfällt, er kann sich vernünftigerweise nicht beklagen. Die Situation im ganzen ist wohl so zu beurteilen, daß das Recht überhaupt von beiden Seiten verletzt wird und die Lage nicht mehr rechtlich, sondern nur noch pragmatisch zu beurteilen ist: Was führt am schnellsten zu einem Zivilzustand, in dem wieder Recht und Unrecht getrennt werden können?

Sie können es nicht. Orient und Okzident
    Vor der militärischen Eroberung des Irak forderte Saddam Hussein den amerikanischen Präsidenten zu einer Fernsehdiskussion auf. Der iranische Präsident Ahmadineschad schrieb später dem amerikanischen Präsidenten einen 18seitigen Brief, desgleichen der Bundeskanzlerin Merkel. Weder Saddam Hussein noch Ahmadineschad erhielten eine Antwort.
    P. S. Nein, das Fernsehduell fand statt, und die Antworten wurden geschrieben. Der amerikanische Präsident zeigte im Fernsehgespräch einer erstaunten Welt, wie intim er mit der Geschichte, den Religionen und den Lebensformen des Vorderen Orients vertraut war und wie präzise er die rechtliche Lage und die frühere Politik der USA im Irak kannte. Er redete frei in Haupt- und Nebensätzen, im Indikativ und Konjunktiv, er hatte sich Elementarkenntnisse des Arabischen angeeignet, und mit den eingestreuten arabischen Wörtern und Redewendungen erwarb er die Achtung und Sympathie aller Iraker. Die gesamte Welt war noch erstaunter darüber, daß der amerikanische Präsident zur Neugier fähig war! Er gestand, bestimmte Dinge nicht zu durchschauen, und suchte nach Erklärungen bis zu den Ursprüngen der großen mesopotamischen, ihm völlig fremden Kultur. Er schonte den sichtlich überraschten Saddam, kam ihm bei dessen hilflos und zögernd vorgetragenen Argumenten zu Hilfe, nur einmal mußte Saddam ihn korrigieren: Bush gab vor, sich nicht recht zu erinnern und datierte die letzte Giftgaslieferung der Amerikaner auf fünf Jahre vor dem korrekten Datum; beide lachten, und

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