Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1
der Gesundheit zuträglich, solange das Adrenalin und das folgende Cortisol auch wieder abgebaut werden. Wenn aber ein Adrenalinhöhepunkt den anderen jagt, weil der gesamte Alltag aufregend und fordernd ist, bleibt der Cortisolspiegel dauerhaft hoch. Und wo es nur Gipfel gibt, da fehlen die Täler.
Der ehrgeizige Arbeitsmensch verfällt in ein klassisches Muster: Nach einem Volldampftag geht es nach Feierabend gleich weiter. Mit hohem Adrenalinspiegel steigt er ins Auto, der erhöhte Tacho entspricht seinem erhöhten Puls. Unter Umgehung jedes Tempolimits fährt er nach Hause, um noch schnell das Kind zum Judo zu bringen und die nötigen Besorgungen für die Familie zu machen. Beim Elternabend wird ebenfalls übermäßiges Engagement an den Tag gelegt. So wird der gesamte Tag weit über die Bürozeiten hinaus ein „Gipfel-Tag“ – der Cortisolüberschuss wird gar nicht mehr abgebaut und macht den Menschen dauerhaft empfindlich. Kein Wunder, dass er dann zu Hause den Lärm der spielenden Kinder nicht mehr erträgt oder die gerunzelte Stirn des Partners auf sich bezieht und genervt überlegt, was er nun schon wieder falsch gemacht haben könnte. Auf der einen Seite spürt sein Körper nach dem anstrengenden Tag ein absolutes Ruhebedürfnis, auf der anderen Seite halten ihn eine hohe Wachsamkeit und die steigende Empfindlichkeit auf Trab. Übermüdet liegt er dann in der Nacht auf seiner Hälfte des Ehebettes wach und bekommt kein Auge zu.
Damit diese Ermüdungsphasen nicht so als störend empfunden werden, wird üblicherweise der Trick angewandt, das Adrenalin hoch zu halten. Dann ist das bleibende Hochgefühl garantiert. Bloß kein Runter, bloß kein Tief! Der Gipfelstürmer beziehungsweise Gipfelhalter verfällt einer regelrechten Sucht nach Adrenalin, weil es sich dort auf dem Gipfel eben so gut anfühlt. Doch wie im Flugzeugbau gilt auch hier: Runter kommen sie immer. Und wenn es schon nicht kontrolliert geschieht, dann gibt es eben eine Bruchlandung ...
Der Grund für die gesteigerte Anspannung der ausbrennenden Menschen und deren Unfähigkeit, zur Ruhe zu kommen, liegt also auf der körperlichen Ebene. Da stellt sich die Frage: Wenn sich der Grund für die Anspannung im Einzelnen findet, liegt dort vielleicht auch der Grund, warum Wellness-Angebote und Formen des Ausgleichs nicht funktionieren? Liegen vielleicht einfach Anwendungsfehler vor? Ist also der Einzelne selbst schuld?
„Beim Entspannen bin ich der Schnellste“
Seine Frau setzte Detlef Mangold die Pistole auf die Brust: Entweder suche er sich endlich Hilfe oder sie würde sich eine Auszeit von der Beziehung nehmen. So könne und wolle sie nicht mehr weiterleben.
Der 56-Jährige war als Führungskraft in einem mittelständischen Unternehmen so gefordert von seiner Arbeit, dass für Freizeit oder Familie keine Zeit oder Energie mehr übrig war. Nachts schlief der grau melierte Porschefahrer unruhig und am Wochenende sorgte seine schlechte Laune regelmäßig für Auseinandersetzungen mit seiner Frau. Sein Arzt hatte ihm schon vor einiger Zeit geraten, etwas Körpergewicht zu reduzieren und das Rauchen einzustellen, doch die besten Vorsätze wurden durch die zahllosen täglichen Stresshöhepunkte im Job immer wieder außer Kraft gesetzt. Doch nun klagte er schon zum zweiten Mal über Herzrhythmusstörungen – und daraufhin forderte seine Frau Konsequenzen: „Entweder du änderst etwas nachhaltig oder ich kann dich nicht länger unterstützen.“
Detlef Mangold suchte neben dem Kardiologen nun auch einen Psychotherapeuten auf, in der Hoffnung, einen ultimativen Burnout-Tipp zu bekommen, der ihm zu Nachtschlaf und somit der Lösung all seiner Probleme verhelfen könnte. Der Arzt riet ihm, es mit Laufen zu versuchen. Da das mangoldsche Wohnhaus am Waldrand lag, böten sich doch regelmäßige Joggingeinheiten an, die nicht übermäßig viel Zeit und Aufwand in Anspruch nähmen. „Zwei Mal die Woche 20 Minuten joggen“, so der Tipp des Therapeuten.
Also joggte Detlef Mangold los. Aus den 20 Minuten alle paar Tage wurden schnell eine Dreiviertel- und dann eine ganze Stunde jeden zweiten Tag. Er lud sich eine Sport-App auf sein iPhone, um ständig seine Leistung und deren Verbesserung überprüfen zu können, und bald war sein nächstes Ziel klar: Der Marathon im nahegelegenen Köln sollte es sein. Die Pulsuhr des Mannes wurde zu einem Tempomat, und unmerklich, aber beständig verschob sich die Leistungsgrenze immer weiter nach oben. Sein Körper
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