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Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Titel: Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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Kollegen haben auch >höhere< psychische Funktionen wie das Verständnis von Sätzen untersucht. Die Ergebnisse waren gleichermaßen überraschend. In einem der Versuche legte man Menschen mit schwerem Gedächtnisverlust Sätze vor, mit denen sie ohne weitere Erklärung nichts anfangen konnten. Ein Beispiel ist: »Der Heuhaufen war wichtig, weil das Tuch riß.« Erst nach Hinzufügung von >Fall-schirm< kann man sich eine Bedeutung überlegen: Der Fallschirm riß, aber der Springer fiel zum Glück in einen Heuhaufen. Auf dieselbe Weise kann man den Satz »Die Noten waren falsch, weil die Nähte platzten« erst nach dem Hinweis auf >Dudelsack< verstehen. Die Gedächtnisgestörten bekamen eine Reihe von solchen Sätzen zu hören, zusammen mit der Lösung. Als man ihnen einige Tage später dieselben Sätze noch einmal ohne weitere Erläuterung vorlegte, kamen ihnen die Sätze völlig fremd vor: »Nie zuvor gesehen.« Angesichts ihrer Störung sollte man das auch erwarten. Dennoch hatten sie keinerlei Schwierigkeiten mit der Bedeutung. Danach gefragt, wie es sein könne, daß sie diese kryptischen Sätze einfach so verstanden, reagierten sie erstaunt: die Bedeutung sei doch vollkommen logisch und klar? Unter einer Schicht, aus der alles innerhalb weniger Minuten wieder gelöscht wurde, war offensichtlich etwas registriert worden, das nicht mehr über das Bewußtsein aufzurufen war, aber dennoch Einfluß auf die Verarbeitung von Sprache hatte.
    Theodule Ribot veröffentlichte 1880 einen Artikel über die biologischen Grundlagen des Gedächtnisses. Im täglichen Sprachgebrauch, erklärte er, hat das Gedächtnis drei Elemente: das Speichern der Erfahrung, deren Reproduktion und die Ansiedlung dieser Erfahrung in der Vergangenheit. Auf die beiden ersten kann man nicht verzichten, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, verschwinden, ist das Gedächtnis vernichtet. Aber wenn das letzte verschwindet, »hört das Gedächtnis für sich auf zu existieren, ohne aufzuhören, zu existieren«. Dieser Satz beschreibt sehr genau, was bleibt und was verschwindet. Selbst wenn das Gedächtnis für das Auge des Bewußtseins vollständig außer Funktion gesetzt scheint, zeichnet es dennoch etwas auf, Gravuren im Dunkel.
    Es ist verführerisch, diese Aufzeichnungen in die umfänglichere Theorie des vollkommenen Gedächtnisses aufzunehmen. Sollte unser Gedächtnis nicht in der Lage sein, alles, was wir sehen, erleben, denken, träumen oder phantasieren, festzulegen? 1980 veröffentlichten Elizabeth und Geoffrey Loftus die Ergebnisse einer Umfrage unter Psychologen, die zeigte, daß eine starke Mehrheit (84 Prozent) glaubte, unser Gehirn enthielte ein vollständiges Register all unserer Erfahrungen. Es ist nicht zu leugnen, daß das Gedächtnis manche Informationsformen so lange festhalten kann, daß keine Grenze zu bestimmen ist. Experimente von Bahrick mit Fremdsprachen, die seit der Jugend nicht mehr benutzt worden waren, zeigten, daß ein großer Teil des Wortschatzes fünfzig Jahre lang unversehrt im Gedächtnis bewahrt geblieben war, eine Form der Speicherung, die Bahrick >permastore< genannt hat. Auch Wagenaar fand in seinem Tagebuchexperiment keinen Beweis dafür, daß autobiographische Erinnerungen aus dem Gedächtnis verschwinden: er konnte sich schließlich an alle Ereignisse wieder erinnern. Dazu muß man anmerken, daß es sich um Ereignisse handelte, die Wagenaar für das Experiment schriftlich festgehalten hatte und die allein schon aus diesem Grund besser gespeichert sein könnten als andere Ereignisse. Wagenaar siedelt die Ursache für Vergessen im Unvermögen an, gespeicherte Erfahrung erneut zu erreichen, vielleicht ist sie noch da, es gibt noch nicht einmal Beweise des Gegenteils, aber unser Erinnerungsvermögen kommt nicht mehr dran. Wir könnten ein vollkommenes Gedächtnis haben, ohne uns dessen bewußt zu sein. Es wäre ein Gedächtnis, das nur noch über das erste von Ribots drei Elementen verfügt. Biologisch gesprochen ist die Hypothese, das Gedächtnis lege alle Erfahrungen fest, übrigens nicht wahrscheinlich. Erinnerungen sind in Hirngewebe gespeichert, das allerlei organischen Veränderungen unterliegt: Wachstum, Stoffwechsel, Beschädigung, Verfall, Sterblichkeit. Daß manche Spuren von Erfahrungen ein Menschenleben lang unangerührt bleiben, steht fest; daß alle Spuren überleben, ist zweifelhaft.
    Amnesie
    Wer von einer schweren Gedächtnisstörung betroffen wird, verliert einen großen Teil seines geistigen

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