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Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Titel: Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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Wahrnehmungsschwelle für Gerüche liegt stets höher. Die Empfänglichkeit für Gerüche nimmt schätzungsweise alle zehn Jahre um einen Faktor zwei ab. Dennoch scheinen bei Älteren gerade Gerüche frühe Erinnerungen auszulösen. Einigen Autoren zufolge handelt es sich hierbei nicht um ein Paradox, sondern eher um einen Teil der Erklärung. Es könnte sein, daß diese >alten< Assoziationen noch immer intakt sind, weil sie nicht mehr durch neue gestört werden. Wir können immer weniger riechen, und dadurch liegt dieser Teil unseres Gedächtnisses vierzig, fünfzig oder sechzig Jahre später noch so unversehrt in der Erinnerung. Auch in anderen Experimenten hat sich gezeigt, wie hartnäckig die Spuren sind, die Gerüche in unserem Gehirn hinterlassen. Bei nahezu allem, was wir in unserem Gedächtnis speichern, hat das, was neu hinzukommt, eine störende Auswirkung auf alles, was schon da war. Bei Gerüchen ist das in viel geringerem Maß der Fall. Zu lernen, eine neue Reihe von Gerüchen wiederzuerkennen, hat zum Beispiel kaum einen Effekt auf die Gerüche, die wir bereits früher kennengelernt haben. Ist sie erst einmal festgelegt, kann man der Spur noch sehr lange, vielleicht sogar ein Leben lang, im Gedächtnis folgen.
    Eine Erklärung dafür ist also, daß wir manchen Gerüchen und Geschmacksrichtungen schlichtweg nie mehr begegnen. So wie manch markantes Auto unbemerkt aus dem Straßenbild verschwindet und man erst wieder an ein solches Auto denkt, wenn man doch noch eins fahren sieht - Volkswagen mit Brezelfenster -, so können Gerüche und Geschmacksrichtungen aus dem Leben verschwinden, manchmal nur für kurze Zeit, manchmal für immer. Das passiert etwa mit typischer Kindernahrung wie etwa Kinderkeksen, die man mit Banane und Orangensaft vermantscht, aber auch mit Gerichten, die man als Kind in der eigenen Familie vielleicht wöchentlich aß und danach nie wieder. Man ist inzwischen ausgezogen oder hat den Kochstil verändert, oder ein neues Dessertangebot verdrängte rasch die traditionellen Nachtische. Als Fertigpuddings aufkamen, verschwanden Gerüche und Geschmäcker von Graupengrütze, Buttermilchbrei, Mehlbrei und Haferschleim. Und was ganz sicher nicht wiederkam, war der Geschmack von Brei, der noch mit ein paar Nudelschlieren vermischt war, die als eine etwas höher gelegene Flutlinie in demselben tiefen Teller an einen früheren Gang der Mahlzeit erinnerten. Wenn wir später durch den ein oder anderen seltsamen Zufall noch einmal diesen Geschmack kosten, jenen Geruch in der Nase haben, erweisen sich die alten Assoziationen noch als intakt und führen uns mühelos zu frühen Erinnerungen.
    Anatomie des Geruchs
    Manchmal kommt es vor, daß neue Befunde aus neurologischer Forschung so genau mit Beobachtungen parallel laufen, die bereits vor langer Zeit auf ganz anderem Gebiet gesammelt wurden, daß eine Hypothese, die beide Informationen nutzen kann, durch die kombinierte Unterstützung etwas Unausweichliches bekommt. Das ist auch bei der zur Zeit weitgehend akzeptierten Erklärung für das Proustphänomen der Fall. Deren Erläuterung erfordert einige einleitende Bemerkungen über die evolutionäre Geschichte von Geruchssinn und Gehirn.
    Der Geruchssinn ist evolutionär gesehen ein altes Sinnesorgan. Er hat sich aus zwei Ausstülpungen des Neuralrohrs, den olfaktorischen Bulbi, entwickelt. Die neueren Teile des Gehirns wie der Neocortex haben sich darüber gefaltet. Die Bulbi nehmen noch nicht einmal den tausendsten Teil des gesamten Gehirnvolumens ein. Der Weg, den die Geruchsreize zwischen der Nasenschleimhaut und den Bulbi zurücklegen, ist kurz. Weit oben in der Nase befindet sich das Riechepithel, zwei gelbbraune Felder, die jeweils einen Quadratzentimeter groß sind. Es enthält zwischen sechs und zehn Millionen Sinneszellen, eine Zahl, die dem Vergleich zu den 220 Millionen Zellen des Schäferhunds, aber auch den etwa 200 Millionen lichtempfindlichen Zellen in der menschlichen Netzhaut, nicht standhält. Das Riechepithel verdankt seine Farbe den Riechhärchen der Sinneszellen, sie wiegen sich, in der Formulierung von Diane Ackerman, »im Luftstrom wie Anemonen auf einem Korallenriff«. Die Zellen des Riechepithels geben das Signal des Reizes an beide Bulbi weiter, die dicht dahinter liegen. Die Verbindungsnerven laufen durch die Perforationen des Siebbeins. Kein anderes Sinnesorgan hat einen so kurzen Abstand zu der Stelle im Gehirn, wo die sensorische Information analysiert wird. Anatomisch

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