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Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Titel: Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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Fertigkeiten eines Savants zur Entwicklung bringt, verschwindet das Savanttalent, manchmal bleibt es intakt. Bei nahezu allen Savants ist die Sprache dürftig oder überhaupt nicht entwickelt, aber es gibt auch Savants, die sich in extrem kurzer Zeit eine Fremdsprache aneignen. Es sind kaum Regeln ohne Ausnahme zu finden. Savants mögen zwar in Stereotypen auseinanderfallen wie der blinde klavierspielende Savant oder der autistische Kalenderrechner, aber die Unterschiede zwischen diesen Stereotypen sind groß, und selbst innerhalb einer scheinbar gleichförmigen Kategorie, wie die der Kalenderrechner, trifft man noch auf sehr verschiedene Strategien.
    Bei der Suche nach Erklärungen für das Savantsyndrom ist es sinnvoll, einen Unterschied zu machen zwischen dem, was Savants können, und der Frage, wie es kommt, daß sie es können. Ersteres verlangt eine Analyse der Strategien, die Savants anwenden, und eine Untersuchung, ob diese auf Gedächtnis, Rechnen oder geschickten Faustregeln beruhen. Punkt zwei erfordert eine Theorie, die erklärt, warum sich zwar Savants solcher Strategien bedienen können, die meisten anderen jedoch nicht. Eine wirkliche >grand theory<, die erklärt, durch welchen verborgenen Zusammenhang zeichnende Savants mit autistischen Kalenderrechnern verbunden sind oder blinde musikalische Savants mit Gedächtniswundern, die Fahrpläne auswendig können, ist im Moment nicht vorhanden. Die meisten Hypothesen haben einen begrenzten Anwendungsbereich, sie richten sich auf zwei oder drei Savants einer einzigen Kategorie und haben darüber hinaus kaum erklärenden Wert.
    Die älteste und sicherlich auch romantischste Hypothese ist, daß Savants dazu bestimmt waren, als Genies zur Welt zu kommen, daß aber vor oder während ihrer Geburt etwas schiefgegangen ist. Die Folgen waren katastrophal: all ihre Begabungen wurden vernichtet oder irreparabel beschädigt, außer, durch einen eigenwilligen Zufall, dieses eine Talent. Ohne diese Katastrophe würden sie über einen strahlenden Intellekt verfügen, wären brillante Mathematiker, geniale Komponisten oder Maler geworden. Ihr Gehirn war, von der Anlage her, ein hell erleuchteter Palast in der Nacht. Durch eine Katastrophe erloschen in einem Zimmer nach dem anderen die Lampen, ganze Flügel wurden dunkel, und jetzt brennt nur noch hinter einem einzigen Fenster Licht. Die Ursache dafür könnte alles mögliche sein. Im achtzehnten Jahrhundert dachte man, es könne fatale Folgen für das Baby haben, wenn die Schwangere heftig erschrecke. Im neunzehnten Jahrhundert sorgte man sich um das geistige Vermögen von Kindern, die im betrunkenen Zustand gezeugt worden waren. In unserer Zeit kann eine Vergiftung während der Schwangerschaft oder Sauerstoffmangel bei der Geburt großen Schaden anrichten. Aber was auch immer die Ursache ist - wenn die Schädigung ein einziges Talent intakt läßt, entsteht das Muster des Savants: eine isolierte Gabe inmitten von Defekten.
    Vieles spricht gegen diese Hypothese, tatsächlich sogar so viel, daß man sie sicher außer Betracht lassen kann. Die Talente von Savants sind selten so geartet, daß sie zu einer genialen Anlage passen. Wären durch eine Laune des Schicksals fast alle Talente von Gauß ausgelöscht worden, wäre am Ende nicht die Gabe des Kalenderrechnens übriggeblieben. Picasso, fast all seiner Gaben beraubt, würde noch immer nicht wie Stephen Wiltshire zeichnen. Von einem angeschlagenen Bach wäre kein Derek Paravicini übriggeblieben. Die speziellen Talente von Savants entwickeln sich auch nicht so, als wären sie jemals Teil einer allgemeinen Begabung gewesen. Dazu kommen sie zu früh ans Licht, oft schon im Alter von zwei oder drei Jahren, und haben dann auch schon zu sehr ihre endgültige Form erreicht. Talente von Savants machen oft einen statischen Eindruck. Nadia zeichnete mit fünf Jahren besser als der frühreife Picasso mit zehn, aber sie blieb auf diesem Niveau stehen, während sich Picassos Talent entwickelte. Für Stephen gilt das gleiche, er begann als Kind zu zeichnen, aber er hat nie die Stadien des normalen zeichnenden Kindes durchlaufen: er zeichnete nicht zuerst Kopffüßler oder Puppen mit Harkenarmen, seine Zeichnungen hatten direkt einen erwachsenen Charakter. Auch bei musikalischen Savants zeigt sich das Talent extrem früh, noch vor dem Lebensalter, in dem sogar die meisten frühreifen Begabten ihr Talent anfangen zu entwickeln. Was der Savant kann, hat wenig Ähnlichkeit mit einem

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