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Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Titel: Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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für andere Versionen seines Alibis könne keine einzige Bestätigung gefunden werden. 1981 entzog man Demjanjuk die amerikanische Staatsbürgerschaft.
    Für den Prozeß in Jerusalem dagegen war der Einsatzort wesentlich. Die Zeugenaussagen und Dokumente bildeten in diesem Punkt ein inkonsistentes Ganzes. Das Trawniki-Dokument widerlegte Demjanjuks Alibi, siedelte ihn aber in Sobibor an. Die Zeugenaussagen von Überlebenden aus Treblinka waren uneinheitlich. Manche hatten ihn positiv identifiziert. Auch ein deutscher Krankenpfleger, der in Treblinka gearbeitet hatte, erklärte, ihn vom Foto her zu erkennen. Von den wenigen Überlebenden von Sobibor dagegen erkannte ihn kein einziger. Im Verlauf des Prozesses erwies es sich auch, daß etwa dreißig Zeugen versucht hatten, Demjanjuk zu identifizieren, und daß negative Identifizierungen - die in der Überzahl waren - der Verteidigung nicht zur Verfügung ge-
    stellt worden waren. Auch der ehemalige Unterkommandant Kurt Franz, der in Düsseldorf eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßte, hatte ihn 1979 nicht identifizieren können. Um die Folgerichtigkeit herzustellen, schlug man vor, daß Demjanjuk erst in Sobibor arbeitete und dann in Treblinka, oder sogar, daß er hin- und herreiste. Man ließ auch die Möglichkeit offen, die Deutschen hätten eine schlampige Verwaltung gehabt.
    In Jerusalem spitzte Wagenaar seine Erklärung als Sachverständiger auf das Identifizierungsverfahren während der Voruntersuchung zu. Den Erläuterungen zufolge, die er später in ldentifying Iwan gegeben hat, gibt es insgesamt fünfzig Regeln und Vorschriften, die ein solides Identifizierungsverfahren erfüllen muß. 42 dieser Regeln waren bei der Identifikation Iwans anzuwenden, nicht weniger als 37, schreibt er, wurden von den Ermittlern übertreten. Es gab keine ordentliche Dokumentation des Sachverhalts: kein Protokoll, keine Bandaufzeichnung, keine Berichterstattung über die Anweisungen, keine stenographische Niederschrift über das, was wörtlich gesagt wurde. Es gab keine Gewähr gegen Suggestion (»Schauen Sie noch einmal gut hin«) oder dagegen, daß die Aufmerksamkeit auf ein einziges Foto gelenkt wurde. In der Fotoreihe auf dem Albumblatt fehlten Porträts von Unschuldigen, so daß es keine Chance für >falsche< Antworten gab. Die Fotos waren ausgesprochen heterogen: auch als schon lange klar war, daß man einen Mann mit rundem Kopf und dickem Nacken suchte, war lediglich ein Porträt dabei, das dieser Beschreibung entsprach, nämlich das von Demjanjuk. Negative Identifizierungen hatte man nicht sorgfältig notiert. Es blieb dem Ermittler überlassen, ob er Antworten wie »Dieses Gesicht erinnert mich ...« als richtige Identifizierung auffaßte oder eben nicht. Fotos wurden wiederholt in einem zweiten Versuch Zeugen vorgelegt, auch wenn das die Chance vergrößerte, daß sie statt der gesuchten Person das Foto vom vorigen Mal erkannten. Es gab keine Maßnahmen, um zu verhindern, daß sich Zeugen untereinander beeinflussen konnten. Zeugen, die miteinander über die Identifizierung gesprochen hatten, wurden nicht vom Verfahren ausgeschlossen. Die Ermittler erzählten den Zeugen, wen sie suchten. Am Ende bekamen die Zeugen Informationen, ob die Identifizierung >ge-klappt< hatte, so daß es bei einem eventuellen Kontakt zwischen den Zeugen auch wirklich etwas weiterzuerzählen gab. Wagenaar urteilt hart über dieses Identifizierungsverfahren: »Ich will nicht sagen, daß es sich bei den Ermittlungen um eine Farce gehandelt hat, aber in einer wirklichen Farce könnte man kaum mehr Regeln übertreten.«
    In dem Moment, als Demjanjuks Porträts schon unzählige Male in den Zeitungen gewesen waren, fand der Teil des Identifizierungsverfahrens statt, der für die Welt am sichtbarsten war. Während der Gerichtsverhandlung in Jerusalem sagten fünf Überlebende von Treblinka aus. Sie erklärten, absolut sicher zu sein, daß der Mann, der nun vor ihren Augen auf der Anklagebank saß, derselbe sei wie Iwan der Schreckliche.
    Im April 1988 urteilte das Gericht, daß die Zeugenaussagen in Kombination mit der Widerlegung seines Alibis den Beweis, daß Iwan der Schreckliche und John Demjanjuk ein und dieselbe Person sind, über jeglichen Zweifel erhaben. Demjanjuk wurde zum Tode verurteilt. Genau wie es am 31. Mai 1962 mit Eichmann geschehen war, sollte das Urteil durch den Strang vollzogen werden. Demjanjuk ließ sofort Berufung einlegen. In Erwartung des Berufungsurteils verschwand er

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