Warum diese Woche völlig in die Hose ging (German Edition)
ihm räche.
Heute haben wir irgendwelche Versuche mit Kartoffelstärke und Hitze oder so was gemacht. Simon war dafür verantwortlich, mit einer Nähnadel kleine Portionen Kartoffelstärke aufzunehmen, während ich mich um den Bunsenbrenner kümmerte. Immer wenn ich ein bisschen Kartoffelstärke brauchte, sagte ich » Tropf!« zu ihm, was mich maßlos amüsierte, weil Simon einfach nicht schnallte, dass ich ihn alle sechzig Sekunden einen (blöden) » Tropf« nannte. Als Simon von diesem Tropf-Spiel genug hatte, drehte ich mich zur Kamera um und sagte: » Dasch isch luschtig!« Simon nutzte die Gelegenheit, um meinen Kuli über den Bunsenbrenner zu halten und anzuschmoren.
» Touché!«, gratulierte ich ihm, wollte ihn aber selbst herausfinden lassen, dass » mein« Kuli aus seiner Federmappe stammte.
In diesem Moment nahm ich wahr, wie Eleanor eine Braue hochzog und mich irgendwie belustigt anschaute. Ich hoffte, dass ihr entgangen war, dass ich in meine imaginäre Kamera gesprochen hatte.
» Sie muss denken… dass ich… nicht ganz dicht bin.«
Diesmal bemerkte Simon die unsichtbare Kamera. Er warf mir einen Blick zu, als wollte er sagen…
» Tropf!«, orderte ich mit stiller Freude.
Dann sagte ich mir, dass ich bis zum Ende der Stunde lieber die Klappe halten sollte, da ich sonst Gefahr lief, dass Eleanor mir einen Dachschaden attestieren und Simon etwas anzünden würde, das mir wirklich am Herzen lag. Ich hielt sogar die Klappe, als Cleat mich später einen » Pillermann« nannte, und wisst ihr was? Mir ging es besser damit. Nicht dass die ganze Tropf-Geschichte nicht lustig gewesen wäre, aber irgendwie kam ich mir ihretwegen auch etwas dämlich und ein klein bisschen tyrannisch vor, da Cleat in diesem Moment ja nichts getan hatte, um so eine Behandlung zu verdienen. Es heißt ja, dass Tyrannen immer so anfangen– sie schützen sich selbst, indem sie anderen das antun, was ihnen einst angetan wurde.
Ich bin echt ein Schwein.
Freistunde
Religion
Die letzte Stunde des Tages war noch eine Freistunde. Am liebsten wäre ich wieder zum Sportplatz gegangen, um weiterzuschreiben. (Es macht mir nämlich richtig Spaß! Nur kann ich ja nicht ewig damit weitermachen – ich weiß gar nicht, wie Leute es hinkriegen, hauptberuflich zu schreiben oder auch nur ein Tagebuch zu führen oder so was – das erfordert so viel Zeit, dass man kaum noch dazu kommt, irgendwas zu erleben, worüber man schreiben könnte!) Leider ist mein altes Notizbuch bereits vor dreiundachtzig Wörtern vollgeschrieben gewesen, sodass ich in die Stadt gehen musste, um mir dieses neue zu kaufen.
Vor einem Buchladen stand ein Mann mit schwarzem Anzug und weißem Hemd, der einen Haufen Broschüren in der Hand hielt und die Passanten fragte, ob sie eine Minute ihrer kostbaren Zeit für ihn erübrigen könnten. Wie jeder andere Mensch, der bei Verstand ist, murmle ich in einer solchen Situation, dass ich es eilig hätte, oder ich tue so, als telefonierte ich mit meinem Handy, doch als der Typ mich fragte: » Hättest du kurz Zeit, um über Jesus zu reden?«, hatte ich irgendwo im Gehirn eine Fehlschaltung, also sagte ich:
» Hm, ja, okay.«
» Cool! Das ist großartig. Bist du religiös?«, fragte er.
» Nicht wirklich«, gab ich mit einem unerklärlichen Anflug von Schuldgefühl zu. Er lachte, als wollte er sagen: Hab ich mir fast gedacht.
» Und darf ich dich fragen, ob du an die Existenz eines Gottes glaubst?«, fuhr er fort.
Glaubte ich an Gott? Das war doch mal eine Frage, über die es sich nachzudenken lohnte.
» Tja…«, begann ich.
Die Sache ist die, dass ich früher mal an Gott geglaubt habe. Ich glaubte an Gott, so wie ich an das Alphabet glaubte. Gott war eine ganz normale Tatsache meines Lebens, weil man mir seit Beginn der Grundschule von ihm erzählt hatte.
» Ich bin mir einfach nicht sicher, ob es ihn gibt«, sagte ich zu dem höflichen und lächelnden Mann.
» Das gefällt mir«, entgegnete er mit einem Nicken und lächelte immer noch.
Es war seltsam, ein Erwachsener behandelte mich wie einen Erwachsenen!
» Aber was ist?«, fuhr er fort, » wenn es doch einen Gott gibt? Möchtest du dann nicht darauf vorbereitet sein, ihm irgendwann zu begegnen? Glaubst du nicht, er würde dich dann noch lieber willkommen heißen?«
» Hmmm…«
Mist! Auf diese Fragen hatte ich keine Antwort.
» Schon möglich… aber dann müsste man ja auch sein ganzes Leben lang mit gepolsterter Kleidung und einem Helm herumlaufen, falls man
Weitere Kostenlose Bücher