Warum es die Welt nicht gibt
dass das Universum schon dafür Sorge tragen wird, dass es weiterhin Menschen gibt. Denn immerhin sollte das Universum doch daran interessiert sein, weiter zu existieren. Leider ist es nicht so einfach. Weder das Universum noch die Raumzeit ist besonders daran interessiert, dass es Wesen wie uns auf diesem schönen Planeten gibt. Aufs Ganze gesehen, ist es ziemlich egal, ob es uns gibt und was wir uns auf unsere Existenz einbilden. Diese Einsicht wird wissenschaftlich eigentlich bis zum heutigen Tag heruntergespielt, und viele Philosophen, ja sogar manche Physiker meinen, dass das Universum sich um uns kümmert. Wir werden auf diese Lage noch im Zusammenhang mit der Religion zu sprechen kommen, wenn wir an den Punkt gelangen, uns dem Ausdruck »Gott« mit der gebotenen Vorsicht zu nähern. Allerdings folgt aus der Tatsache, dass es im Großen und Ganzen ziemlich egal ist, ob es Menschen gibt, nicht, dass es auch Ihnen oder mir egal ist. Man darf eben nicht die Welt mit der Welt des Menschen verwechseln, und man darf sie auch nicht auf der falschen Ebene ansiedeln.
Alles Existierende erscheint in Sinnfeldern. E xistenz ist die Eigenschaft von Sinnfeldern, dass etwas in ihnen erscheint. Ich behaupte, dass Existenz nicht eine Eigenschaft der Gegenstände in der Welt oder in den Sinnfeldern, sondern eine Eigenschaft von Sinnfeldern ist, nämlich die Eigenschaft, dass etwas in ihnen erscheint. Doch ergibt sich damit nicht das folgende Problem? Sinnfelder sind Gegenstände, wir denken mit wahrheitsfähigen Gedanken über sie nach. Wenn sie die Eigenschaft haben, dass etwas in ihnen erscheint, ist damit Existenz nicht zu einer Gegenstandseigenschaft geraten? Wenn Sinnfelder aber in Sinnfeldern erscheinen (sonst könnten sie ja nicht existieren), scheine ich mir selbst widersprochen zu haben. Doch dieser Widerspruch ergibt sich paradoxerweise deswegen nicht, weil es die Welt überhaupt nicht gibt. Es gibt nur unendlich viele Sinnfelder, die sich teilweise überlappen und die teilweise niemals auf irgendeine Weise in Berührung kommen werden. Wie schon Peter Leere bemerkt hat: Letztlich findet alles nirgendwo statt. Doch dies heißt nicht, dass gar nichts stattfindet, sondern umgekehrt, dass sich unendlich vieles zugleich ereignet. Nur übersehen wir das gerne, schon deshalb, weil wir uns nicht mit unendlich vielem gleichzeitig beschäftigen können.
22 Vgl. Terence Horgan / Matjaz Potrc, »Blobjectivism and Indirect Correspondence«, in: Facta Philosophica 2/2000, S. 249–270.
23 Jacques Derrida, Grammatologie , Frankfurt/Main 1983, S. 274.
24 Gottlob Frege, »Über Sinn und Bedeutung«, in: Ders.: Kleine Schriften . Hrsg. von Ignacio Angelleli, Darmstadt 1967, S. 143–162.
25 Ebenda, S. 144.
26 Johann Wolfgang Goethe, Faust II , Stuttgart 2001, S. 64.
III. Warum es die Welt nicht gibt
Greifen wir zuerst unsere erste große Erkenntnis, die Gleichung der Sinnfeldontologie, auf:
Existenz = Erscheinung in einem Sinnfeld
Damit etwas in einem Sinnfeld erscheinen kann, muss es zu einem Sinnfeld gehören. Wasser kann zu einer Flasche gehören, ein Gedanke zu meiner Weltanschauung, Menschen können als Staatsbürger zu Staaten gehören, die Zahl 3 gehört zu den natürlichen Zahlen, und Moleküle gehören zum Universum. Wie etwas zu einem Sinnfeld gehört, ist gleich dem, wie es erscheint. Es ist entscheidend, dass die Art und Weise, wie etwas erscheint, nicht immer identisch ist. Nicht alles erscheint auf dieselbe Weise, nicht alles gehört auf dieselbe Weise einem Sinnfeld an.
Vorausgesetzt, all dies stimmt, können wir uns nun die Frage stellen, ob die Welt existiert, ob es die Welt gibt. Wir haben in Kapitel I gesehen, dass man die Welt am besten als Bereich aller Bereiche auffasst. Diese auf Heidegger zurückgehende Auffassung können wir nun allerdings noch einmal präzisieren und sagen, dass die Welt das Sinnfeld aller Sinnfelder ist, dasjenige Sinnfeld also, in dem alle anderen Sinnfelder erscheinen, und damit der Bereich, zu dem alles gehört. Dies ist sozusagen mein letztes Wort über die Welt, so dass es hervorgehoben und ins Glossar gehört: Die W elt ist das Sinnfeld aller Sinnfelder, das Sinnfeld, in dem alle anderen Sinnfelder erscheinen.
Alles, was es gibt, gibt es in der Welt, weil die Welt eben der Bereich ist, in dem alles stattfindet. Außerhalb der Welt gibt es nichts. Alles, was man für außerweltlich hält, gehört damit zur Welt. Existenz beinhaltet immer eine Ortsangabe. Existenz heißt, dass
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