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Warum es die Welt nicht gibt

Warum es die Welt nicht gibt

Titel: Warum es die Welt nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Gabriel
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dem es erscheint. Die einzige Einschränkung ist die Welt. Denn diese kann kein Sinnfeld sein, da sie nicht erscheinen kann, weshalb sie auch kein Gegenstand sein kann.
    Doch haben wir uns jetzt nicht endgültig in einen Widerspruch verstrickt? Haben wir nicht über die Welt nachgedacht? Wenn wir aber über sie nachgedacht haben, dann existiert sie ja, nämlich als Gedankeninhalt. Da unsere Gedankeninhalte in unseren Gedanken existieren, gibt es ein Sinnfeld (unsere Gedanken), in dem die Welt erscheint. Also gibt es sie ja doch, oder nicht?
    Wenn die Welt in unseren Gedanken existierte, könnten unsere Gedanken nicht in der Welt existieren. Sonst gäbe es ja eine Welt, die aus unseren Gedanken und »der Welt« (im Sinne eines Gedankeninhalts) bestünde. Wir können also auch nicht über die Welt nachdenken. Wie die geniale US -amerikanische Fernsehserie Seinfeld (ja, die Namensähnlichkeit zu Sinnfeld ist kein Zufall) uns gelehrt hat, ist alles eine »show about nothing«. Alles, was es gibt, alles, was erscheint, zeigt uns letztlich, dass es die Welt nicht gibt. Denn es gibt alles nur deswegen, weil es die Welt nicht gibt. Man kann nicht über die Welt nachdenken. Was man erfasst, wenn man es versucht, ist nichts; genau genommen sogar »weniger als nichts«. Jeder Gedanke über die Welt ist ein Gedanke in der Welt. Wir können nicht von oben herab über die Welt nachdenken und können deswegen wortwörtlich nicht über die Welt nachdenken. Gedanken über die Welt »im Ganzen« sind nicht wahrheitsfähig, sie haben keinen Gegenstand, auf den sie sich beziehen.
    Ich hoffe, Sie gestatten mir noch eine weitere, kleine Windung der Reflexionsschraube. Denn nun wollen wir einmal einen leicht akrobatischen Gedanken versuchen. Dieser akrobatische Gedanke besteht darin, dass wir uns einen Gedanken denken, der zugleich über die Welt im Ganzen und über sich selbst nachdenkt. Dieser Gedanke könnte die Welt vielleicht retten und zur Existenz bringen. Nennen wir dies den »Supergedanken«, den wir so definieren: Der S upergedanke ist der Gedanke, der zugleich über die Welt im Ganzen und über sich selbst nachdenkt. Der Supergedanke denkt sich selbst und alles andere auf einmal.
    Diesen (leider falschen) Supergedanken hat der genialste Metaphysiker aller Zeiten, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, in Anlehnung an einige altgriechische Ideen eingeführt und in einem der besten (und schwierigsten) Philosophiebücher aller Zeiten begründet, in seiner Wissenschaft der Logik . Hegels Name für den Supergedanken ist »die absolute Idee«, und man sieht leicht, dass dieser Name der Sache schon ganz angemessen war. Der Supergedanke ist sozusagen die beste Idee, auf die man kommen kann, eben die absolute Idee. Entsprechend können wir der Behauptung, dass es einen Supergedanken gibt, nun auch einen Namen geben. Die These, es gibt einen Supergedanken, ist der absolute I dealismus .
    Allerdings ist der absolute Idealismus falsch. Wenn der Supergedanke wahr sein soll, muss er nämlich existieren. Doch in welchem Sinnfeld erscheint er? Erscheint er in sich selbst, ergibt sich genau das Weltproblem: Der Supergedanke kann nicht in sich selbst erscheinen, weil dann die Welt in sich selbst, und zwar noch neben der Welt, erscheint. Dieser Gedanke ist in Abbildung 3 illustriert.
    Abbildung 3
    Natürlich ist dieses Diagramm genau besehen wiederum unvollständig und unzureichend. Denn im Supergedanken, der im Supergedanken vorkommt, kommt ja wiederum der Supergedanke vor, weil dieser hier definiert ist als ein Gedanke, der in sich selbst vorkommt – eine unendliche Verschachtelung. Es bleibt ganz einfach dabei, dass das Allumfassende nicht in sich selbst erscheinen kann. Das Allumfassende ist nicht nur unerreichbar für uns, weil uns die Zeit fehlt, es hinreichend zu durchdenken, sondern auch, weil es kein Sinnfeld gibt, in dem es erscheinen kann. Es existiert nicht.
Nihilismus und Nichtexistenz
    Kommen wir auf eine sozusagen irdischere und anschaulichere Ebene zurück und stellen uns noch mal den blauen Würfel vor. Wenn er ganz allein stünde und völlig von anderen Gegenständen isoliert wäre, könnte er nicht existieren. Könnten wir einen einzigen Gegenstand von allen anderen Gegenständen isolieren (sei dies in Gedanken oder im Universum oder in welchem Gegenstandsbereich auch immer), hörte er sofort auf zu existieren, weil er von jeglichem Sinnfeld isoliert wäre, in dem er erscheinen kann. Wenn wir den blauen Würfel aus allen Sinnfeldern

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