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Warum es die Welt nicht gibt

Warum es die Welt nicht gibt

Titel: Warum es die Welt nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Gabriel
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derselben Lage wie die Affen aus der Zukunft befinden. Wir sehen dasselbe Fernsehbild wie sie. Interessanterweise sehen die Fernsehzuschauer auch noch im Hintergrund des Fernsehschirms im Fernsehbild einen Spiegel, in dem man den Moderator und Dr. Hasslein sieht, womit mindestens drei Perspektiven symbolisch verschmelzen: die Affen aus der Zukunft, der Moderator und Dr. Hasslein und wir. Der Film – unsere Welt – besteht aus einer unendlichen Verschachtelung.
    Auf eine unheimliche und beängstigende Art und Weise führen uns viele Filme an diese Wahrheit heran. Besonders erschreckend ist das Szenario von Vincenzo Natalis Film Cube . In Cube finden sich verschiedene Personen, anfangs voneinander isoliert, in einem würfelförmigen Raum vor. Jeder dieser Räume hat verschiedene Türen, die sich öffnen lassen und jeweils in einen anderen würfelförmigen Raum führen. Dabei sind einige der Räume mit lebensgefährlichen Fallen gespickt. Im Lauf des Films stellt sich heraus, dass die Zahlenkombinationen, die sich zwischen den Räumen finden, einen Bewegungszyklus bilden, dessen Kenntnis aus dem Würfel hinausführt. Außerhalb der Würfel befindet sich jedoch nur eine Leere, ein Nichts, das ganz am Ende auch als helles Licht erscheint.
    Der Film verzichtet konsequent auf die Darstellung der Außenwelt und kann damit als Illustration für eine uns bedeutsame Tatsache dienen: Es gibt unendlich viele Sinnfelder, die auf unendlich viele Weisen ineinander verschachtelt sind. Diese unendliche Verschachtelung findet jedoch mitten im Nichts, also letztlich nirgendwo statt. Jede bestimmte Ortsangabe kann nur innerhalb eines Sinnfeldes vorgenommen werden, ein Außerhalb gibt es nicht. In seiner unnachahmlich satirischen Art schildert Jean Paul diese Lage in seiner Biographie eines Bonmotisten von 1785: »Er war allzeit willens, Bücher zu schreiben … er wollte eines schreiben, worin er beweisen wollte, dass zwar Wesen die Existenz hätten, dass aber die Existenz selbst nirgends existierte« 27 .
    Die Welt gibt es nicht. Wenn es sie gäbe, müsste sie in einem Sinnfeld erscheinen, was aber unmöglich ist. Diese Einsicht ist allerdings nicht nur destruktiv, sie klärt uns nicht nur darüber auf, dass es die Welt wider Erwarten nicht gibt. Sie kann auch fruchtbar gemacht werden, wenn wir verstehen wollen, was es gibt.
Der Supergedanke
    Nennen wir die These, dass es die Welt nicht gibt, den H auptsatz der negativen O ntologie . Dem steht der E rste H auptsatz der positiven O ntologie gegenüber, der besagt, dass es notwendigerweise unendlich viele Sinnfelder gibt. Den ersten Hauptsatz der positiven Ontologie können wir uns durch ein weiteres Gedankenexperiment verdeutlichen. Stellen wir uns vor, es gäbe nur einen einzigen Gegenstand, sagen wir einen blauen Würfel. Doch wenn es nur diesen einen Gegenstand und sonst nichts gäbe, gäbe es kein Sinnfeld, in dem der blaue Würfel erscheint. Allerdings gäbe es dann den Würfel auch nicht, weil ja nur dann etwas existiert, wenn es ein Sinnfeld gibt, in dem es erscheint. Wenn es nur einen einzigen Gegenstand gäbe, gäbe es überhaupt keinen, da der angeblich ganz und gar einsame Gegenstand ja in einem Sinnfeld erscheinen muss, um zu existieren. Eines ist keines, oder wie Amie Mann im Soundtrack zu Paul Thomas Andersons Film Magnolia singt: »One is the loneliest number.«
    Folglich gibt es mindestens einen Gegenstand und ein Sinnfeld. Nun muss es aber mindestens noch ein weiteres Sinnfeld geben. Denn damit es auch nur ein einziges Sinnfeld gibt, muss es nach dem Hauptsatz der negativen Ontologie noch ein weiteres geben, in dem das erste Sinnfeld erscheint. Demnach gibt es also mindestens einen Gegenstand und zwei Sinnfelder.
    Wir haben aber auch schon gesehen, dass man unter »Gegenstand« einfach nur dasjenige verstehen sollte, worüber wir mit wahrheitsfähigen Gedanken nachdenken können. Dazu gehören nicht nur Dinge im engeren Sinn, sondern auch die Sinnfelder selbst. Folglich sind der ursprünglich einsame Gegenstand und die beiden notwendig anzunehmenden Sinnfelder ihrerseits drei Gegenstände unseres Denkens. Daraus folgt, dass sie mindestens im Sinnfeld unseres Denkens existieren, so dass wir wiederum ein weiteres Sinnfeld angenommen haben.
    In diesem Zusammenhang können wir nun eine weitere These, den Z weiten H auptsatz der positiven O ntologie , aufstellen: Jedes Sinnfeld ist ein Gegenstand. Daraus folgt unmittelbar, dass es für jedes Sinnfeld ein Sinnfeld gibt, in

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