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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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hätte lautes Geschrei gegeben, das auch unseren Nachbarn nicht entgangen wäre – schließlich geht unser Balkon auf den Innenhof hinaus.
    Aber jetzt, wo ich diejenige bin, die bestimmt (wenigstens ein bisschen), halte ich es für machbar, drei Kinder mit heißer Schokolade auf dem Balkon zu haben. Ich setze mich sogar zu ihnen und trinke eine Tasse Kaffee.
    Eines Morgens bringe ich Leo allein in die Krippe. (Simon und ich wechseln uns damit ab.) Als ich den Lift ins Erdgeschoss nehme, steigt Angst in mir auf. Ich beschließe, Leo in bestimmtem Ton zu sagen, dass im Hof nicht geschrien wird. Ich verkünde es klar und deutlich und schaue Leo dabei fest in die Augen. Ich frage ihn, ob er mich verstanden hat, und mache dann eine Pause, um ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. Nach einer nachdenklichen Pause sagt er: »Ja«.
    Als wir die Glastür aufstoßen und den Innenhof betreten, herrscht Stille. Es gibt keinerlei Gebrüll oder Gezeter. Nur einen kleinen Jungen, der es sehr eilig hat und mich hinter sich herzerrt.
    57 In einem Interview mit der Zeitschrift Enfant »Comment réussir à se faire obéir?« , Oktober 2009, S. 78–82.
    58 Die Umfrage trug den Titel »Les Français et la fessée« und wurde von der Meinungsforschungsfirma TNS Sofres/Logica für Dimanche Ouest France vom 11. November 2009 durchgeführt.
    59 55 Prozent sagten auch, dass sie das Schlagen verurteilen.
    60 Marcel Rufo, ein bekannter Kinderpsychiater aus Marseille, sagt: »Es gibt zwei Generationen von Eltern … die früheren, die geschlagen und verprügelt wurden und sagen, › Wir wurden dadurch auch nicht traumatisiert ‹ , und die heutigen, die ich für deutlich besser halte, weil es ihnen eher darum geht, das Kind zu verstehen, als ihm irgendetwas zu verbieten. Die Aufgabe von Eltern besteht darin, dem Kind beizubringen, die Welt mit Erwachsenenaugen zu betrachten, sie ihm zu erklären. Dann wird das Kind das auch akzeptieren.« Le Figaro vom 20. November 2009.

Leben und leben lassen
    Eines Tages gibt es in Beans Schule einen Aushang: Eltern können Kinder zwischen vier und elf Jahren für ein Sommerlager in den Hautes-Vosges, eine fünf Autostunden von Paris entfernte Region, anmelden. Die Reise, selbstverständlich sans Eltern, soll acht Tage dauern.
    Ich kann mir nicht vorstellen, die fünfjährige Bean allein auf eine achttägige Klassenfahrt zu schicken. Sie war nie länger als eine Nacht allein bei meiner Mutter. Meinen ersten Klassenausflug mit Übernachtung habe ich in der Mittelstufe ins Sea World gemacht.
    Dieser Ausflug erinnert mich ein weiteres Mal daran, dass ich zwar inzwischen den französischen Subjonctif beherrsche und meine Kinder sogar dazu bringen kann, auf mich zu hören, aber trotzdem niemals eine echte Französin sein werde. Französin sein bedeutet, diesen Aushang sehen und wie die Mutter einer anderen Fünfjährigen zu sagen: »Wie schade! In diesem Zeitraum sind wir schon verplant!« Keiner der Franzosen findet die Vorstellung, Vier- bis Fünfjährige eine Woche lang ins Sommerlager mit Gemeinschaftsduschen und Schlafsälen zu schicken, beunruhigend.
    Bald merke ich, dass dieser Ausflug erst der Anfang ist: Ich war frühestens mit zehn oder elf im Zeltlager. Aber in Frankreich gibt es Hunderte von colonies de vacances (»Ferienkolonien«), und das schon für Kinder ab vier. Die Kleinen fahren in der Regel sieben, acht Tage aufs Land, wo sie Ponyreiten machen, Ziegen füttern, Lieder lernen und »die Natur entdecken«. Für die Größeren gibt es colonies , die sich auf Theater, Kajaken oder das Sternebeobachten spezialisiert haben.
    Französische Eltern legen offensichtlich großen Wert darauf, dass ihre Kinder früh unabhängig werden und Durchhaltevermögen und Selbstständigkeit entwickeln. Die Franzosen nennen das autonomie . Sie versuchen, den Kindern genau so viel Unabhängigkeit zu gewähren, wie diese schultern können. Das schließt auch physische Trennungen wie Klassenausflüge mit ein. Aber auch emotionale Trennungen: Sie sollen lernen, unabhängig vom Lob der Eltern oder Erwachsenen Selbstbewusstsein zu entwickeln.
    Ich bewundere so einiges an der französischen Erziehung. Ich habe versucht, die französische Art zu essen, Autorität auszuüben und den Kindern beizubringen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, zu übernehmen. Ich habe damit begonnen, ausgiebig mit Säuglingen zu sprechen, und erlaube es meinen Kindern eigene »Entdeckungen« zu machen, statt sie zu drängen, bestimmte

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