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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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dürfte concerted cultivation in Reinform sein. Mein Projekt besteht darin, meine Kinder zweisprachig und zu Liebhabern guten Käses zu erziehen. Aber in Frankreich gibt es wenigstens auch noch andere Vorbilder und keine Kindergärten für Hochbegabte. In Amerika scheint man gar keine Wahl mehr zu haben, was concerted cultivation anbelangt. Im Gegenteil: Die Anforderungen werden immer weiter hochgeschraubt. Eine Freundin, die Vollzeit arbeitet, hat sich bei mir beschwert, dass sie jetzt nicht nur zu den Fußballmatches ihrer Tochter kommen soll, sondern auch zum Training . 40
    Elisabeth, eine französische Mutter, die in Brooklyn lebt, hat sich anfangs sehr gewundert, dass amerikanische Eltern so viel Wert auf die sportlichen Leistungen ihrer Kinder legen. Sie habe die Geburtstagsparty ihres zehnjährigen Sohnes mehrfach verschieben müssen, um sie im Trainingsplan seiner amerikanischen Freunde unterzubringen. Jede amerikanische Mutter habe behauptet, die Anwesenheit ihres Kindes beim Match sei »unerlässlich«, denn ohne ihn oder sie »könnte die Mannschaft verlieren!« 41
    Der amerikanische Druck, sich hervortun zu müssen, beginnt oft schon, bevor das Kind überhaupt laufen gelernt hat. Ich erfahre von einer Mutter aus New York, deren Einjähriger Hausunterricht in Französisch, Spanisch und Mandarin erhielt. Als das Kind zwei war, strich die Mutter den Französischunterricht, dafür gab es Kurse in Kunst, Musik, Schwimmen und so etwas wie Mathematik. Inzwischen verbringt die Mutter, die ihren Job als Unternehmensberaterin aufgegeben hat, fast ihre gesamte Zeit damit, den Sprössling bei zwei Dutzend Vorschulen anzumelden.
    Solche Geschichten sind keine seltenen Extrembeispiele. Bei einem Aufenthalt in Miami esse ich mit einer wirklich vernünftigen amerikanischen Mutter aus meinem Bekanntenkreis zu Mittag. Sie heißt Danielle. Wenn sich jemand gegen ein so hektisches, leistungsorientiertes Familienleben verwahrt, dann sie, dachte ich: Sie ist ausgeglichen, herzlich und für eine Stadt, in der alle dem neuesten Trend hinterherrennen, ziemlich antimaterialistisch eingestellt. Danielle ist unter anderem in Italien aufgewachsen, spricht drei Sprachen und kann auch einen MBA und eine Karriere im Marketing vorweisen.
    Danielle hasst überehrgeizige Eltern. Sie ist entsetzt über eine Mutter aus der Nachbarschaft, deren Vierjähriger bereits Tennis-, Fußball-, Französisch- und Klavierstunden nimmt. Laut Danielle ist diese Mutter extrem, allein schon sie um sich zu haben mache alle nervös.
    »Doch dann fragt man sich: Dieses Kind macht diese ganzen Sachen. Wie soll mein Kind da mithalten? Man muss sich schwer zusammenreißen und sich sagen: Darum geht es gar nicht. Wir wollen nicht, dass es mit so jemandem mithält.«
    Trotzdem ertappt sich Danielle dabei, dass ihre eigenen vier Kinder (die beiden Jüngsten sind Zwillinge) einen fast lückenlosen Stundenplan haben. In einer ganz normalen Woche spielt Juliana, die Siebenjährige, dienstag- und donnerstagnachmittags Fußball, mittwochs ist Kommunionsunterricht, das Pfadfindertreffen gibt es jeden zweiten Donnerstag (nach dem Fußball), und freitags stehen Verabredungen zum Spielen auf dem Plan. Kommt Juliana dann nach Hause, muss sie noch zwei Stunden Hausaufgaben machen.
    »Gestern Abend musste sie ein Märchen verfassen, einen Mini-Aufsatz darüber schreiben, wie Martin Luther King Amerika verändert hat, und noch für eine Spanischprüfung lernen«, so Danielle.
    »Neulich hat Juliana gemeint, dass sie noch einen Nachmittagskurs im Töpfern dazunehmen will. Und weil ich ein schlechtes Gewissen habe, dass es in ihrer Schule keinen Kunstunterricht gibt, habe ich gesagt: ›Gut, lass uns töpfern gehen‹. Ihr einziger freier Tag ist Montag.« Jetzt ist Julianas gesamte Woche verplant. Und Danielle hat noch drei weitere Kinder.
    »Noch nie konnte ich das, was ich an der Business School im Operativen Controlling gelernt habe, so gut anwenden wie jetzt. Allein der logistische Aufwand, dass alle pünktlich dorthin kommen, wo sie hinmüssen …«, so Danielle.
    Danielle gibt zu, dass sie sämtliche Aktivitäten – mit Ausnahme des Fußballspielens (Ihr Mann ist Trainer.) – ersatzlos streichen könnte. Aber was sollen ihre Kinder dann zu Hause tun? Die Kinder aus der Nachbarschaft sind nicht da, weil auch sie bei irgendwelchen Kursen sind.
    All das hat zur Folge, dass Danielle nicht mehr in ihren Beruf zurückgekehrt ist. »Ich dachte eigentlich immer, dass ich wieder

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