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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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ungekochtes Obst zum Nachtisch essen, weil zwei pürierte Gerichte als zu kindisch empfunden werden könnten, ermahnt sie die Köche.
    Einige Köche rühmen sich ihrer neuesten Erfolge. »Ich habe eine Sardinenmousse mit etwas Sahne serviert«, so eine schwarzgelockte Köchin. »Die Kinder haben sie geliebt und aufs Brot gestrichen.«
    Viele singen ein Loblied auf Suppen. »Die Kinder lieben Suppen, egal ob Bohnen- oder Gemüsesuppe!«, fügt eine dritte Köchin hinzu.
    Als jemand fagots de haricots verts erwähnt, müssen alle lachen.
    Dieses traditionelle Weihnachtsgericht mussten alle Krippen im Vorjahr zubereiten. Dafür werden grüne Bohnen blanchiert, in Bündeln mit dünnem Räucherspeck umwickelt, mit einem Zahnstocher fixiert und anschließend gegrillt. Anscheinend war das sogar für die von Ästhetik besessenen Krippenköche zu viel (obwohl sie nicht mit der Wimper zucken, als sie aus einer Kiwi eine Blume schnitzen sollen).
    Ein weiteres wichtiges Prinzip bei der Menügestaltung ist, dass die Kinder, wenn ihnen etwas nicht schmeckt, mehrfach davon probieren sollen. Merle erinnert die Köche daran, neue Lebensmittel nach und nach einzuführen und sie unterschiedlich zuzubereiten. Sie schlägt vor, Beeren zunächst zu pürieren, da diese Textur den Kindern bereits vertraut ist. Anschließend können die Köche klein geschnittene Beeren servieren.
    Ein Koch fragt, was er mit Grapefruit machen soll. Merle schlägt vor, eine dünne, mit Zucker bestreute Scheibe zu servieren, später dasselbe ohne Zucker. Mit Spinat wird ebenso verfahren. »Unsere Kinder essen überhaupt keinen Spinat. Der landet bloß im Müll!«, knurrt eine Köchin. Merle rät ihr, Spinat mit Reis zu mischen, damit er appetitlicher aussehe. Sie kündigt an, ein Merkblatt herumzuschicken, in dem noch einmal steht, wie es funktioniert. »Sie stellen Spinat rund ums Jahr in den verschiedensten Varianten vor, und irgendwann werden sie ihn mögen«, verspricht sie. Beginne ein Kind mit dem Spinatessen, würden die anderen folgen, so Merle. »Das ist die Grundlage der Ernährungserziehung«, sagt sie.
    Nach etwa zwei Stunden bei Neonbeleuchtung lässt meine Konzentration nach. Ich würde jetzt gern nach Hause gehen und etwas essen. Aber die Kommission ist noch nicht mal beim Weihnachtsmenü angekommen.
    »Foie gras?«, schlägt ein Koch als Appetizer vor. Ein anderer bietet Entenmousse an. Erst denke ich, die machen Witze, aber niemand lacht. Anschließend wird debattiert, ob es Lachs oder Thunfisch als Hauptgericht geben soll. (Der erste Vorschlag lautet Seeteufel, aber Merle sagt, das sei zu teuer.)
    Und was ist mit dem Käsegang? Merle verbietet Ziegenkäse mit Kräutern, weil die Kinder bereits beim Herbstpicknick Ziegenkäse hatten. Schließlich entscheidet man sich für ein Menü, das Fisch, Brokkolimousse und zwei Sorten Kuhmilchkäse enthält. Zum Nachtisch gibt es Apfelzimtkuchen, einen Joghurtkuchen mit Möhren und eine traditionelle Weihnachtsgalette mit Birnen und Schokolade. (»Man darf nicht zu stark von der Tradition abweichen. Die Eltern werden eine Galette wollen«, sagt jemand.) Als Nachmittags- goûter soll es eine Mousse aus Blockschokolade geben, doch Merle hat Sorgen, die könnte nicht festlich genug sein. Man einigt sich auf eine etwas raffiniertere chocolat liégois – eine Art Schokoeis mit Schlagsahne.
    Nicht ein einziges Mal wendet jemand ein, ein Geschmack könnte zu intensiv oder zu kompliziert für einen Kindergaumen sein. Keines der Nahrungsmittel schmeckt extrem streng – es gibt viele Kräuter, aber keinen Senf, nichts sauer Eingelegtes und keine Oliven. Aber dafür Pilze, Sellerie und alle möglichen Gemüse im Überfluss. Es geht nicht darum, dass alle Kinder alles mögen. Es geht darum, dass sie jedem Nahrungsmittel eine neue Chance geben.
    Nicht lange nachdem ich bei der Menü-Besprechung dabei war, leiht mir eine Freundin das Buch Der Mann, der alles isst: Aufzeichnungen eines Gourmets vom amerikanischen Gastrokritiker Jeffrey Steingarten.
    Steingarten schreibt, er habe nach seiner Ernennung zum Restaurantkritiker der Vogue befürchtet, seine persönlichen Essensvorlieben könnten ihn voreingenommen machen: »Ich hatte Angst, nicht objektiver zu sein als ein Kunstkritiker, der die Farbe Gelb hasst.« Er nimmt sich vor zu lernen, die von ihm gehassten Speisen zu mögen.
    Steingarten hasste Nahrungsmittel wie Kimchi (vergorener Kohl, ein koreanisches Nationalgericht), Schwertfisch, Sardellen, Dill, Muscheln,

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