Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Titel: Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
Vom Netzwerk:
zu, und der Mann stößt mehrmals vergeblich gegen den Schrank. Ein kleines, erst 14 -monatiges Kind, das gerade laufen kann, sieht dabei zu. Plötzlich geht es zielstrebig zum Schrank und öffnet die Türen. Anschließend blickt es den Mann freundlich an. » Bitte schön«, scheint es zu denken, » deine Türen sind jetzt auf!« Das kleine Kind hatte dem Mann mit den Büchern geholfen, ohne dass es dafür eine Belohnung bekommen hatte.
    Die Forscher machten noch mehr Versuche. Einem Mann rutscht ein Textmarker aus der Hand, und er kann ihn von seinem Stuhl aus nicht aufheben. Und wieder hilft ihm ein kleines Kind und hebt den Textmarker auf und gibt ihn dem Mann. Einem anderen Mann fällt ein Schwamm runter. Und wieder hilft ihm ein kleines Kind. Alle kleinen Kinder zeigen sich spontan hilfsbereit.
    Nicht anders erging es den Forschern mit Schimpansen. Auch sie halfen, wo sie nur konnten. Freiwillig und ohne Belohnung.
    Menschen und Schimpansen sind von Natur aus hilfsbereit. Aber viele ältere Kinder und auch viele Erwachsene sind es nicht! Woran könnte das liegen?
    Auch auf diese Frage fanden die Forscher eine Antwort. Bei einem zweiten Versuch teilten sie zwanzig Monate alte Kleinkinder in drei verschiedene Gruppen. Jedes Mal, wenn ein Kind aus der ersten Gruppe sich hilfsbereit zeigte, erhielt es ein Spielzeug zur Belohnung. Waren die Kinder der zweiten Gruppe hilfsbereit, so wurden sie dafür ausführlich gelobt. Die Kinder der dritten Gruppe aber erhielten keine Belohnung für ihre Hilfe. Was passierte?
    Die Kinder aus der zweiten und dritten Gruppe blieben die ganze Zeit auf gleiche Weise hilfsbereit. Doch was geschah mit den Kindern, die mit einem Spielzeug belohnt wurden? Ihr angeborener Sinn für Hilfsbereitschaft wurde in kürzester Zeit fast völlig ruiniert! Sie halfen den Erwachsenen nämlich nur noch unter der Bedingung, dafür belohnt zu werden. Gab es keine Belohnung, so halfen die Kinder auch nicht. Aus einer unbedingten Hilfsbereitschaft war eine bedingte Hilfsbereitschaft geworden.
    Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch der Forscher Richard Fabes in Amerika. Er ging in eine Grundschule und brachte einen dicken Stapel verschiedenfarbiger Papiere mit. Dann bat er die Kinder, die Papiere zu sortieren. Das sortierte Papier wollte er verkaufen und das Geld schwerkranken Kindern im Krankenhaus geben.
    In einer anderen Gruppe von Kindern stellte er die gleiche Aufgabe. Diesmal war aber nicht die Rede davon, das Geld für kranke Kinder zu spenden. Stattdessen versprach er den Kindern in der Grundschule ein kleines Spielzeug als Belohnung für ihre Sortierarbeit.
    Beide Gruppen erledigten engagiert ihre Aufgabe. Einige Zeit später bat Fabes die Kinder noch einmal um ihre Hilfe. Doch diesmal erzählte er weder der ersten Gruppe etwas von den kranken Kindern, noch stellte er der zweiten Gruppe eine Belohnung in Aussicht.
    Das Ergebnis war wie erwartet: Während die erste Gruppe genauso eifrig sortierte wie beim ersten Mal, wirkte die zweite Gruppe ziemlich demotiviert. Die Kinder gaben sich kaum Mühe und verloren schnell die Lust …
    Die Botschaft ist klar: Materielle Belohnungen verderben den Charakter! Wer daran gewöhnt ist, Dinge gegen Belohnung zu tun, der tut sich anschließend sehr schwer damit, das Gleiche ohne Belohnung zu tun. Ganz offensichtlich ist die Verbindung von Hilfsbereitschaft und materieller Belohnung nicht von Natur aus in unserem Gehirn angelegt. Stattdessen werden wir in unserer Kindheit so erzogen, dass wir uns daran gewöhnen.
Was meinst du, Oskar, warum waren die Schulkinder, die das Papier für die Kinder im Krankenhaus sortiert haben, eher bereit umsonst zu sortieren als die anderen Schulkinder, die ein Spielzeug fürs Sortieren bekommen hatten?
Na, weil die hatten ja beim ersten Mal selbst auch nichts davon.
Ja, jedenfalls keine materielle Belohnung. Nur vielleicht die Freude am Helfen. Aber, sag mal, ich verspreche dir ja auch manchmal Belohnungen. Fällt dir was ein?
Dass ich einen Film gucken darf, zum Beispiel. Oder ein Tim-und-Struppi-Heft kriege.
Ist das eigentlich gut, Oskar, dass ich dir so etwas verspreche, um dich zu motivieren? Also, wenn ich dir sage: Bei einer Eins in Mathe im Zeugnis, dann kriegst du ein Star-Wars-Lego, sagen wir: den Todesstern.
Das ist eher ’ne schlechte Belohnung, weil es ist übertrieben.
Warum ist das übertrieben?
Weil der Todesstern kostet sehr viel Geld und ist riesig groß und das nur für eine Eins in Mathe.
Weißt du, warum der

Weitere Kostenlose Bücher