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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Zölibatäre Würdenträger versteiften sich auf ständig wiederholte Verurteilungen der Empfängnisverhütung.

Kapitel VIII
    Seele. Himmel und Hölle
    1.  Seele. Unsterblichkeit
    Das Christentum verliert in Westeuropa an Attraktivität. Dennoch besitzt es noch Anziehungskraft. Es verdient die Frage, worin sie, wenn auch vermindert, für viele noch besteht. Es sind wohl vor allem drei Motive:
    Erstens verspricht das Christentum eine stabile Lebensorientierung. Seine Deutung des Lebens suggeriert, sich seit Jahrhunderten bewährt zu haben. Es behauptet von sich, auf göttlichen Ursprung zurückzugehen. Es verspricht im chaotisch-raschen Wandel der Gegenwart stabilen Halt.
    Zweitens, es präsentiert sich als die Religion der Liebe. Das entspricht kaum seinen maßgebenden Quellen, dem Neuen Testament und der alten Kirchenlehre. Wahr ist nur, daß in den Kirchen viel von Liebe die Rede ist. Sie
    handeln bei Geld- und Arbeitsrechtsfragen hart, aber ihre Reden klingen wie ein Harmonium tönt. Die Liebesrhetorik beschwört ein Gegengewicht gegen die kalte verwaltete Welt. Ob Gott die Menschen liebt, ob er sie alle liebt und ob er seine Menschenliebe schon in diesem irdischen Leben zeigt, das scheint ungewiß, aber daß wir unseren Nächsten lieben sollen, das scheint sicher und verbindet sich mit dem Begriff des Christlichen.
    Ein drittes Gefühlsmotiv wirkt anziehend: Das Christentum hilft, mit dem Tod von Angehörigen und Freunden besser fertig zu werden. Denn es verspricht getauften und frommen Auserwählten ein Wiedersehen mit ihren Lieben im Jenseits. Es bietet einen mächtigen Trostgrund; es nimmt dem Tod den Stachel, es verspricht die jenseitige Fortdauer hiesiger Gefühlsverbindungen, es sichert Kontinuität über den Tod hinaus.
    Ob es dieses Versprechen halten kann, hängt von vielen Faktoren ab: Es muß ein freundlich vorbereitetes Jenseits geben. Der Mensch muß mit seinem höheren Ich den Tod überstehen. Er muß von Jenseitswächtern geprüft und zugelassen werden. Und er muß beim Wiedersehen seiner Lieben diese wiedererkennen können. Wie ein Wiedersehen ohne Augen aussehen kann, das sollte uns noch erklärt werden. Es besteht auch der Verdacht, dieses Versprechen verharmlose den Tod. Das jenseitige Leben erscheine als bloße Verlängerung des diesseitigen Zustands, als bestünden die Sozialverbände der Guten im Jenseits weiter.
    Die idyllische Konstruktion steht noch aus einem weiteren Grund in Frage:
    Die ältere Christenheit sah den Übergang in den Himmel nicht so sehr als Wiederbegegnung von Individuen, sondern als Vereinigung mit Gott und seinem Hofstaat. Es begann für die beseligte Seele ein engelgleiches Leben. Die individuelle Unsterblichkeit wurde geglaubt und mit antik-philosophischen Argumenten auch ‹bewiesen›, aber sie stand weniger im Vordergrund als bei den christlichen Konfessionen seit dem 18. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert rückte sie auf zum Zentralstück des christlichen Glaubens. Sie entsprach der gesteigerten Individualisierung. Sie galt als so wesentlich, daß einige Theologen der Religion der Hebräischen Bibel den Charakter als Religion absprachen, weil sie nicht die Seelenunsterblichkeit lehre. Der selbstbewußt und sozial-sensibler gewordene Einzelne wollte jetzt auch im Jenseits nicht auf seine intime Umgebung verzichten, und dieser Wunsch erzeugte das Pathos des Wiedersehens. Man könnte es kritisieren als die Transposition des bürgerlichen Wohnzimmers ins Jenseits. Interessant wäre es, Entstehung und Abbau der Wiedersehensmetaphorik historisch zu untersuchen. Ich verfüge über keine exakten Daten; die theologischen Lexika lassen mich dazu im Stich, aber es scheint so, als habe die Wiedersehensrhetorik im Laufe des 20. Jahrhunderts abgenommen, und das nicht nur, weil Theologen jetzt zu entdecken glaubten, Gott allein sei unsterblich. Die Hoffnung, seine Lieben nach dem Tod wiederzusehen, kommt zwar in Todesanzeigen und schlichten Predigten noch vor, aber im Zentrum des Glaubens steht sie wohl nicht mehr. Andererseits hat die Koalition des Christentums mit Seele und Seel-Sorge eine respektable Geschichte; sie ist das Erbe des Sokrates und besteht oft unklar weiter. Wer sich heute mit der Wahrheit des Christentum befaßt, muß das Thema ‹Seele› neu durchdenken.
    2.  Noch eine Anleihe bei der Philosophie
    Falls Jesus die Aufrichtung des Reiches Israel gewollt hat, dann ist sie gescheitert. Die ersten Christen warfen, von Erscheinungen des Auferstandenen

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