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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Maßstab des Richtigen zu beurteilen, ohne über ihr Jenseitsschicksal Gewißheit zu beanspruchen. Das Ausmalen der Jenseitsschicksale hielt den Platz frei für Diskussionen über das richtige Leben; es war kein fester ‹Glaube›. Anders bei Christen des 2. Jahrhunderts: Beim Schwinden der Naherwartung kam ihnen die platonische Mythologie zupaß. Nur wurde sie jetzt Dogma, sie blieb nicht Bild.
    Nicht alle Kirchendenker griffen nach ihr. Denn die griechische Philosophie, auf deren Seelenkonzept die Christen sich jetzt stützten, lieferte verschiedene und kontrastierende Ansichten über die Seele des Menschen. Das ermöglichte Christen mehrere Varianten und schuf neue Widerstände. Nicht alle frühen Christen waren Platoniker. Platon hatte die Unsterblichkeit der Seele nicht dogmatisch behauptet, nur nahegelegt und durch Geschichten illustriert: Die Seele habe vor ihrem Erdenaufenthalt im Sternenhimmel präexistiert; sie habe dort die Ideen geschaut und erinnere sich auf der Erde an sie; sie sei einfach, also nicht aus körperlichen Elementen zusammengesetzt, sie sei ideenartig und deshalb unvergänglich. Als Ursache des Lebens widersprächen Tod und Sterblichkeit ihrem Wesen. Der christliche Märtyrer Justin hatte die platonische Schule durchlaufen, blieb aber nicht bei ihr; Tertullian war nie Platoniker. Justin kritisierte Platon, daß er von der Seele behauptet habe, sie sei mit Gott verwandt. Allein Gott sei ungeworden und unvergänglich. Keinesfalls sollte die Menschenseele von sich aus, kraft ihrer Natur, unsterblich sein; Gottes Allmacht konnte ihr nur Unsterblichkeit verleihen. Ähnlich dachte Irenäus von Lyon: Wäre die Seele kraft eigenen Wesens unsterblich, dann wäre sie ungeworden, doch allein Gott sei ewig; er lasse sie freilich kraft seines Willens über den Tod hinaus fortbestehen.
    Tertullian hielt die Seele für körperlich; sie habe die dreidimensionale Form des Körpers, dem Gott sie eingehaucht habe.    [63]   Die Seele müsse körperlich sein, sonst könnten die Seelen der Bösen in der Hölle nicht die körperlichen Qualen leiden, die Jesus androhe, Lukas  16,19–31. Das war aber nicht das Hauptargument Tertullians. Er folgte insgesamt der materialistischen stoischen Philosophie, die eine allverbreitete Seele von feiner Stofflichkeit behauptete.
    Auch Origenes war von der Stoa beeinflußt, aber ihm zufolge war die Seele eine unkörperliche Substanz; sie war mit Gott ‹verwandt›.    [64]   Diese neuplatonische Spiritualisierung des Seelenkonzepts sicherte die Unsterblichkeit im christlichen Denken philosophisch ab.
    Augustinus vertiefte die reine Geistigkeit der Menschenseele. Sie sei den Ideen verwandt, anders als die Tierseele. Die unsterbliche, rein geistige Seele war ihm in seinen frühen Schriften so wichtig, daß er nichts anderes erkennen wollte als Gott und die Seele. Cassiodor, Schüler des Boethius, faßte nach seinem Rückzug aus der Politik die Seelenlehren des lateinischen Westens zu der Formel zusammen, die Seele sei eine einfache gottebenbildliche Substanz, die Leben verleihe und vom Stoff abgetrennt existieren könne.    [65]   Das war gegen 560.
    Papst Gregor I., Papst von 595–604, schrieb das vierte Buch seiner Dialoge über die Seele. Sie bildeten bis zur Aristotelesrezeption des 13. Jahrhunderts die quasi-amtliche Vorlage für das, was Christen über die Seele und ihre Jenseitsschicksale denken sollten. Er gestand ein, daß es Christen gab, die an der Existenz von Seelen zweifelten; er wollte sie rational, mit philosophischen Argumenten davon überzeugen. Aber er kam von diesem Ziel schnell ab: In seinem Dialog klagt sein Schüler Petrus, wie schwer es sei, geistige Dinge zu erfassen. Neulich sei doch ein Mitbruder ganz in seiner Nähe plötzlich gestorben, aber er habe nicht beobachtet, daß dabei eine Seele den Körper verlassen habe. Gregor antwortet ihm, er habe die Seele ja auch nicht gesehen, als sie noch im Körper war; es sei unsinnig, Unsichtbares mit Augen sehen zu wollen. Damit hätte Gregor es bewenden lassen können, aber er fängt damit erst an und überschüttet den Leser mit Klosterlegenden, in denen Mönche, deren geistiges Auge durch den Glauben gestärkt und deren Herz durch Beten gereinigt gewesen sei, Seelen aus dem Leib ausfahren sahen. So habe der heilige Benedikt gesehen, wie Engel mitten in der Nacht die Seele des Bischofs von Kapua in einer feurigen Kugel zum Himmel trugen.    [66]   Soeben noch fand Gregor es sinnlos,

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