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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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er sich doch unterwerfen sollte. Religiöse Gruppen, die sich über die Wahrheit ihrer Glaubensinhalte und nicht mehr durch regionale, kommunale oder imperiale Kulte definierten, schufen sich Beurteiler, die ihr gefährlich werden konnten, wenn sie einzelne Inhalte auswählten und nicht mehr das Ganze plausibel und annehmbar fanden. Sie nahmen sich in diesem Fall heraus, was ihnen wahr erschien. So entstand der Häretiker, der ‹Auswähler›. Daher ertönt schon in den neutestamentlichen Quellen die Klage, es gebe so viele Häresien.
    Ergriff der Neubekehrte aber mit voller Überzeugung die ganze Botschaft seiner Gruppe, dann dachte er, sie allein sei im Besitz der göttlichen Wahrheit; dann hielt er seine vorherigen Kultgenossen entweder für Irrgläubige, für götzendienerische Heiden oder verblendete Juden. Bekam er die militärisch-polizeiliche Macht in die Hand, konnte er kaum noch einsehen, wieso Nicht-Gläubige ein Recht auf eigene Versammlungsräume und Bücher, auf Grundbesitz, Schulen und Staatsämter haben könnten. Er wußte nicht mehr, wieso er tolerant sein sollte, da doch die ‹Wahrheit› auf seiner Seite stand. Indem er ‹Religion› als Wahrheit definierte, bestritt er anderen religiösen Gruppen, überhaupt ‹Religion› zu sein; er sah sie feindselig an und nannte sie nicht-existenzwürdigen Satansdienst. Fremde Kulte waren ihm nicht Produkte der Volkspoesie, sondern Einrichtungen der Teufelsherrschaft über die feindselige Welt. Je absoluter er ‹Wahrheit› verstand, um so bedingungsloser war sie durchzusetzen.
    Dies kennzeichnet die religionspolitische Entwicklung des endenden 4. Jahrhunderts; Augustin leistete ihre Zusammenfassung und Rechtfertigung. Von da an war es in Europa fast unmöglich, über eine Religion zu sprechen, ohne sie als die wahre anzuerkennen oder sie als unwahr zu kritisieren. Beide Gruppen, anerkennende und ablehnende, agierten unter der Voraussetzung desselben Konzepts von Wahrheit. Über dieses stritten sie nicht.
    Welthistorisch gesehen, war diese Allianz von Religion und ‹Wahrheit› entbehrlich. Wenn nur eine Religion wahr sein konnte, waren alle anderen falsch, dachte man, aber auch die falschen funktionierten. Sie bestätigten das Gemeinschaftsgefühl; sie boten Sinnvorgabe, Jubelstimmung, Trauerrituale und Trost. Sie ermöglichten ‹Kontingenzbewältigung›, wie die Soziologen sagen. Sie konsolidierten bedrohte Zivilisationen; sie brauchten weder Theologie noch Glaubensbekenntnisse; sie ersparten sich die Wahrheitsbehörde, heiße sie ‹Lehramt› oder ‹Inquisition›. Sie hatten keine Ketzer. In den Gruppen, die ‹Wahrheit› beanspruchten, bekam das Ritual neue Bedeutung; die Beteiligung an ihm war nun ein ‹Bekenntnis›; es war sichtbar, kontrollierbar und schloß Personen zusammen im ‹wahren› Glauben.
    3.  Woran erkennt man die wahre Religion?
    Im Jahr 390 schrieb Augustin für seinen Förderer, den Großgrundbesitzer Romanianus, ein kleines Buch über die wahre Religion. Er wollte seinem Freund mit strengen Argumenten beweisen, daß allein die christliche Kirche Anrecht auf diesen Titel habe; er wollte Romanianus von der Unwahrheit des christlichen Manichäismus überzeugen, dessen Glauben Augustin neun Jahre lang geteilt hatte.
    Er brachte eine Reihe von Argumenten vor. Sein Hauptgrund war, allein die katholische Kirche lehre für alle Menschen den hohen Begriff von Gott, den Platon erkannt habe: Der Begriff des einen und höchsten Gottes, dessen Wahrheit nur Geistseelen erkennen, sofern sie sich nicht von Leidenschaften und Sinneseindrücken betören lassen, sei der einzige Weg zu Wahrheit und Glückseligkeit. Die Seele müsse gesunden, sich von der Herrschaft sinnlicher Dinge und Gewohnheiten befreien, dann sehe sie das reine Licht göttlicher Wahrheit, die alle Weltbereiche, das Sichtbare wie das Unsichtbare, umfasse. Die Argumentation beruhte vorwiegend auf dem Kontrast von irdischer und ewiger Welt, also auf einer vereinfachten Fassung des Platonismus. Zwischen Diesseits und Jenseits betonte Augustin die Differenz; er wollte sie aber nicht mehr wie im Jahrzehnt zuvor zum Gegensatz steigern; jetzt bewies er die Einheit des Universums und die Einzigkeit des Erschaffers.
    Doch beginne der christliche Erkenntnisweg, schrieb Augustin 390, nicht mit dieser Quintessenz des Platonismus; er führe zu dessen Wahrheit hin. Denn am Anfang stehe der Glaube an die Geschichte ( historia ) und an die zeitliche Durchführung des geweissagten

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