Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
wie in der volkstümlicheren Erzählung A. Der Text teilt die inzwischen feststehende Priesterlehre mit. Er leitet zur Frömmigkeit an, besonders zur Einhaltung der Sabbatruhe, aber er bedient auch ein kleines kosmologisches Interesse. Er beantwortet die Frage: Was gibt es alles in der Natur? Wie ist es entstanden? Wieso steht der Mensch so weit über den Tieren? Wie soll er sich zu ihnen verhalten? Warum sollen wir am siebten Tag ruhen?
Gegenüber der Schadensbeschreibung in A gibt B einen nach Tagen gestaffelten Katalog und gerät dabei stilistisch in eine «nüchterne Monotonie» (Gerhard von Rad).
Diese Texte sind außerordentlich oft kommentiert worden; ich füge ihnen nur wenige Bemerkungen hinzu:
1) Die beiden Texte unterscheiden sich stark; sie sind teilweise unvereinbar. Wer Text B an den Anfang der Bibel gesetzt hat, hat die ideenpolitische Option gewählt, um nicht zu sagen: er hat die Manipulation begangen, den Text A zu verdrängen, vielleicht zu ersetzen, jedenfalls umzuinterpretieren. Vermutlich war A schon zu ehrwürdig-alt und zu bekannt, um zum Verschwinden gebracht zu werden.
2) Ein Kommentator, der die beiden Texte harmonisiert und der sich daraufhin zu sagen getraut, welcher Gott ‹wirklich› ist, muß die Vorgänge – z.B. daß Gott Kleider näht oder daß eine Baumfrucht Wissen verleiht – als Metaphern deuten und diese einem möglichst geistigen und rationalen Gott zuordnen. Er übersieht es oder gesteht verklemmt zu, selbst der Bericht B stelle Gott in Menschengestalt vor; eine Skulptur bietet sein stellvertretendes Bild. Er muß Text B zum Leitfaden wählen und ihn mit Hilfe des philosophischen Gottesbegriffs subventionieren. Die ‹falschen› kosmologischen Details in B erklärt er damit, der irrtumslose Gott habe sie aus Rücksicht auf die damaligen Leser/Hörer pädagogisch eingeplant. Arbeit sei keine Strafe, auch nach B soll Adam im Garten arbeiten. Mancher Kommentator, der im 20. Jahrhundert lebte wie Gerhard von Rad, dozierte mit ansonsten unerklärlichem Nachdruck, diese Geschichten seien keine ‹Mythen›. Mythen seien nur die ähnlichen Geschichten aus Babylon. Die biblischen Erzählungen unterschieden sich von diesen maximal, vor allem durch «ihre Durchsichtigkeit und Verständigkeit». Na ja.
3) Die Frage, welcher der beiden Berichte den tatsächlichen Vorgang und den wahren Gott am Werk zeige, stelle ich nicht. Der wahre Gott ist der hier in geschichtlichen Schüben erzählte. Man wird einwenden, da bestehe doch eine schroffe Alternative: Entweder war die Erde Wüstensand oder feucht. Entweder hat Gott mit seinen Händen geformt oder durch sein Zauberwort befohlen. Entweder hat er den Menschen für die normale Erde gedacht oder er hat ihn strafweise aus dem Paradies verwiesen und das Paradies durch einen Cherub bewachen lassen, dazu noch durch ein freischwebendes Feuerschwert. Man kann zweifeln, ob dieser Gott einer war oder viele oder einer aus vielen, denn er sagt von sich auffällig ‹wir› (1,26). Oder war mit diesem Plural sein Hofstaat gemeint, ohne dessen Applaus kein orientalischer Herrscher etwas Großes tut? Ich hebe diese Widersprüche, die sich vermehren ließen, weder hämisch hervor, noch kann ich sie theoretisch ausgleichen. Ich lasse sie stehen als schön erzählte altorientalische Geschichten. Von Fachleuten hätte ich gern eine Erklärung, warum in A Gott ‹Jahwe elohim› heißt: Gott als einer von mehreren? Gott mit Engeln?
4) Text A mit seinem düsteren Drohton wurde später ausgebaut zur Lehre vom Sündenfall und von der Erbsünde. Davon sagt unser Text nichts, worauf ich zurückkomme. Nirgends im ganzen Alten Testament wurde die Erzählung A dazu verwendet, Krankheit, Tod oder Sünde als ererbt herzuleiten. Er sagt: Gott ist nicht schuld an Leid und Tod in der Welt.
5) Wenn ich Christ wäre, würde ich mich fragen, ob ich an den Gott der Version A glaube oder an den von B oder ob ich aus beiden einen reineren, geistigeren, moderneren Gott zu entwickeln hätte. Solche Weiterentwicklungen liegen geschichtlich vor im späten Judentum, beim jüdischen Philosophen Philo. Sein Destillationsverfahren hieß Allegorie . Wenn etwas in der Bibel stand, das ihm naiv, anthropomorph oder zu orientalisch vorkam – wenn also zum Beispiel Gott die Erschaffung der Menschen bereut oder er zuerst ein Paradies für sie baut und sie gleich darauf wegen eines kindlichen Fehlgriffs daraus vertreibt, oder wenn er aus Ärger und/oder
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