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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Schwert aus reinem Feuer. Das utopische Glück ist unzugänglich, eine bloße Erinnerung.
    Die Erzählung hat etwas Philosophisches. Sie erklärt, wie gesagt, Grundgegebenheiten des menschlichen Lebens: Warum wir sterben müssen und die Landarbeit schwer ist. Warum Frauen Schmerzen leiden bei der Geburt eines Kindes. Daneben stehen märchenhafte Züge: Da kann eine Schlange sprechen. Da bringt ein Baum Früchte hervor, die Wissen verleihen, gar Wissen über alles. Indem er sie ißt, durchbricht Adam die Grenzlinie zwischen Gott und Mensch. Gott will nicht, daß er wissend wird. Adam bezahlt schwer – mit Arbeit im Schweiß, mit Krankheit und Tod. Die geringer Sündige, Eva, wird bestraft mit Schmerzen bei der Geburt und damit, daß sie sich sehnt nach ihrem Tyrannen. Zum Tod verurteilt ist auch sie.
    Der Stil der Erzählung ist anschaulich, urtümlich, wenig von Reflexion berührt. Märchenhaft, konkret. «Der frische antike Erdgeruch weht uns entgegen» (Julius Wellhausen, Prolegomena , Berlin 6 1905, S. 297).
    Erzählung B, mit der unsere Bibel beginnt, offenbart einen anderen Gott. Sie fängt grandios an: «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.» Er erschafft mit seinem Befehlswort: «Da sprach Gott: Es werde Licht. Und es ward Licht.» Er nimmt nicht Material in die Hand; er steht dem Weltstoff gegenüber und spricht sein Zauberwort, wie andere archaische Gottheiten, etwa Marduk, vor ihm. Er erschafft nicht aus dem Nichts. Bevor er sprach, war die Erde «wüst und leer». Finsternis lag auf dem Urmeer. In A stand am Anfang die trockene Erde, die Wüste. Auch in B ist Gottes Souveränität eingeschränkt durch das Ausgangsmaterial. Er findet das Chaos vor. Sein Erschaffen ist ein Herausrufen durch Unterscheiden. Aus der Urfinsternis macht er den Gegensatz von Licht und Finsternis. Dies geschah am ersten Tag, und es stört uns nicht, daß es Tage und Nächte gab, bevor die Sonne erschaffen war. Wir verlangen dem antiken Text nicht unsere naturkundlichen Schulkenntnisse ab. Wir sollen Gott bewundern, der das Riesenwerk so schnell geschafft hat. Und ‹Licht› war wohl eine eigene Realität, so etwas wie ein feiner Stoff. Wir tadeln es nicht, wenn er den Himmel als gewaltiges Gewölbe erschafft, eine riesige, materielle Glocke. Wir nehmen es hin, wenn es Pflanzen gab, bevor die Sonne schien.
    Gott B ist gegenüber A souveräner oder ‹geistiger› geworden. Dennoch gibt es in B neben dem Erschaffen durch Zauberwort auch noch das schlichte ‹Machen›.
    Gott schafft durch Unterscheiden. «Gott schied zwischen Licht und Finsternis». Er entmischt, was im Urstoff lag. Er hält die Unterscheidung fest, indem er allem den richtigen Namen gibt. In der Erzählung A gab der Mensch allen Tieren den richtigen Namen. Dieses Herrschaftsrecht hat im Bericht B Gott an sich gezogen.
    Er erschafft in sechs Tagen. Erzähler B ordnet den Inhalt der Welt nach einer Art von logischer Abfolge: Erst kommt der Himmel, dann kommen die Vögel. Erst das Wasser, dann die Fische. Text B gibt eine kosmologische Übersicht. Hier fängt die Entzauberung der Natur sanft an. In dieser Natur wächst schon kein Baum mehr, der Wissen verliehe oder ewiges Leben.
    In B wird der Mensch nicht zur Strafe in die Natur gesetzt wie in A. In A ging es nicht um den Kosmos, sondern um die Erde und ihre Bewohnbarkeit. Nach Bericht B gehört der Mensch ursprünglich in sie hinein. Er soll in ihr herrschen. Die Erdarbeit ist hier kein Fluch; die geschlechtliche Vermehrung ist geboten. Immer wenn Gott ein Teilstück vollendet hat, tritt er wie ein Künstler zurück und findet sein Werk gut. Die Erde ist kein Jammertal.
    Der Mensch ist Gottes Ebenbild. Für das Staubgebilde in A gilt das nicht. Wie der ferne Großkönig in seiner Provinz eine Skulptur von sich aufstellen läßt, so steht der Mensch nach B als Bild Gottes in der Welt und soll stellvertretend über sie herrschen. Er soll sie beherrschen, aber töten soll er nicht. Gott gebietet ihm, vegetarisch zu leben, Genesis  1,29. Für Noah und seine Nachkommen wird Gott das Gebot, vegetarisch zu essen, wieder aufheben, Genesis  9,2.
    Die Verteilung des Schöpfungswerks auf sechs Tage verschafft dem Sabbat eine theologische Begründung: Am siebten Tag soll der Mensch ausruhen, wie Gott es getan hat. Der Verfasser hat die religiöse Alltagsordnung im Auge. Davon war Text A weit entfernt.
    Der Stil von B ist monumental, überblicksartig, abstrakt ordnend, sichtend und präzis. Keine überwuchernde Phantasie

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