Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Konkurrenzangst ihren schönen großen Turm zerstört und ihre Sprachen verwirrt –, dann sagte der philosophisch Gebildete, das alles sei bildlich gemeint. Dieses Verfahren der Wundervermeidung hatten spätantike Philosophen entwickelt, um den Göttergeschichten von Homer und Hesiod etwas Tiefsinniges abgewinnen zu können, ohne den verehrten Dichterheroen schroff widersprechen zu müssen, wie es Heraklit und Platon getan hatten. Das spätere allegorische Verfahren suchte den alten Göttererzählungen die tiefere, die geistigere Bedeutung abzugewinnen. Das war beim Lesen der Genesis unvermeidlich. Ein Gott, der mit eigener Hand die Tür der Arche des Noah von außen verschloß, war in der hellenistischen Welt philosophisch angreifbar. Da half nur das Allegorisieren. Es war halbherziger Unglaube. Jaspers nannte das ‹philosophischer Glaube›. Dieser spricht die alten Formeln nach, denkt sich dabei aber etwas anderes ( allo , das Andre; agoreuo ich spreche, ich rede öffentlich auf der agora , daher ‹Allegorie›). Er vermeidet den Konflikt mit den Zionswächtern und destilliert aus alten Geschichten reineren Weltgeist. Wer die Bibel ‹bildlich› auslegt, simuliert Zugehörigkeit und geht doch eigene Wege. Augustinus, der sich zunächst eifrig der Allegorie bedient hatte, drängte sie später zurück; sie dürfe nur angewandt werden, wenn zuvor der Wortsinn der Schilderung akzeptiert ist. Ähnlich insistiert Gerhard von Rad im Blick auf Text A: «Es ist also daran festzuhalten, daß hier ein Tatsachenbericht gegeben werden will.» [33] Dann also doch nicht bildlich ‹gemeint› .
Hier steigt Nebel auf. Ich verlasse den orientalischen Zaubergarten und kehre zu der Frage zurück, warum ich kein Christ bin: Ich kann weder an Gott A noch B noch C glauben. Alle drei Stufen waren eindrucksvolle Entwicklungsstadien des menschlichen Denkens, historisch interessant, aber sie liegen hinter mir. Ein moderner Theologe aber, der sich nicht mehr zu sagen getraut, Gott habe diese Tatsachen dem Moses offenbart, der außerdem die Destillationsmethode des Allegorisierens als zu philosophisch, zu ‹aufgeklärt› verwirft und auffordert, am ‹Tatsachencharakter› festzuhalten, ohne zu sehen, daß ‹Moses› (wer immer das in der Urzeit war) nicht wissen konnte, was eine ‹Tatsache› ist, redet verwirrt. Denn die ‹Tatsache› ist ein Zersetzungsprodukt der jüngeren Philosophiegeschichte. Noch Goethes Farben waren keine ‹Tatsachen›.
Gerhard von Rad war ein nachdenklicher Mann. Als Mitglied des Ordens pour le mérite verschaffte er sich auch noch das Verdienst, uns mitzuteilen, warum er es ablehnt, die uralten Bibelbilder philosophisch neu zu deuten. Der Mensch, sagt von Rad, soll sich nicht herausnehmen zu wähnen, «von seinem frei bezogenen Standpunkt, von seiner Gottesidee aus Gott besser zu verstehen, als wenn er sich seinem Wort unterstellen würde» (Rad S. 71). Gemeint ist nicht ‹unterstellen›, sondern: kritiklos unterwerfen. Es sei ein ‹alter Wahn›, fährt von Rad fort, einen Standpunkt frei zu beziehen. Wir sollen gehorchen. Dabei ist diese Forderung auch ein moderner, frei bezogener und im 20. Jahrhundert bekannter anti-liberaler Standpunkt, der sich Autorität anmaßt. Da waren die alten Inspirationstheoretiker besser dran. Sie dachten, der vernünftige Gott habe uns abbildliche Vernunft geschenkt, um die göttliche Vernunft seiner Mitteilungen zu erheben. Gerhard von Rad sah, daß er seine Position noch etwas verstärken müsse, und bediente sich dazu des folgenden Zitats eines noch berühmteren Theologen:
«Dort, wo der Mensch aber mit der Waffe eines Prinzips, einer Gottesidee gegen das konkrete Gotteswort angeht, dort ist er der Herr Gottes geworden.» (Dietrich Bonhoeffer, Schöpfung und Fall , S. 61).
Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Rede ist von Genesis 3, von der Schlange, die spricht, die aber jetzt nicht mehr der Satan sein soll. Fragt ein gutmütiger Leser, wie er die Paradiesesgeschichte mit seinem Begriff von Gott vereinbaren soll, dann sagt ihm der Theologe: Du bedienst dich mit deinem Begriff von Gott einer ‹Waffe›, du gehst mit ihr gegen das Gotteswort an, statt dich ihm zu unterwerfen.
Wie defensiv und roh ist das gedacht: Die Gottesidee, die andere Theologen im ersten Kapitel des Römerbriefs, 1,20, bestätigt sahen, heißt hier eine «Waffe». Der Theologe schlägt sie dem Genesisleser aus der Hand. Dieser darf über Gott nichts
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