Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
unter seiner Herrschaft gehabt. Ganz unmöglich konnte die vollkommene Gerechtigkeit des höchsten und wahren Gottes, die sich auf alles erstreckt, dort fehlen, wo er den Untergang der Sünder in seine Ordnung einfügt.
106 Doch die Sünde des Menschen war weniger schwer als die des Teufels. Daher half ihm genau dies dazu, das Heil zurückzuerlangen, daß er dem Fürsten dieser Welt – ich meine: ihrer sterblichen und niederen Teile –, dem Fürsten aller Sünder und Oberherrn des Todes so weit ausgeliefert worden ist, daß sein Fleisch sterblich geworden ist.
107 Denn nun, im Bewußtsein seiner Sterblichkeit, hat er die Angst kennengelernt. Er fürchtet sich vor häßlichen und verachteten, selbst vor winzigen Tieren, sie könnten ihn quälen, ja sogar töten. Er ist seiner Zukunft ungewiß; daher gewöhnt er sich daran, unerlaubtes Vergnügen zu unterdrücken, vor allem den Hochmut zu brechen, der seinen Fall verursacht hat und der als einziges Laster das Heilmittel der Barmherzigkeit zurückweist. …
110 Und so unterwarf das Wort Gottes, der einzige Sohn Gottes, Mensch geworden, den Teufel, den er immer unter seinen Gesetzen hielt und halten wird, auch dem Menschen. Nichts entriß es ihm gewaltsam, sondern er hat ihn besiegt durch das Gesetz der Gerechtigkeit. Nachdem der Teufel die Frau irregeführt und den Mann mit ihrer Hilfe zu Fall gebracht hat, unterwarf er die ganze Nachkommenschaft des ersten Menschen, weil sie sündig war, den Gesetzen des Todes. Das tat er zwar aus böser Lust daran, ihm zu schaden, aber doch mit vollem Recht. Seine Herrschaft sollte so lange dauern, bis er den Gerechten tötete, an dem er nichts Todeswürdiges aufweisen konnte, denn dieser war ja ohne jede Schuld umgebracht worden und ohne sexuelle Gier (sine libidine) zur Welt gekommen. Der Teufel hatte die Menschen, die er in seine Gefangenschaft gebracht hatte, der Libido unterworfen, so konnte er alles, was aus ihr geboren würde, als Frucht von seinem Baum in der Hand behalten, in verwerflicher Herrschsucht zwar, aber mit wirklichem Besitzrecht.
111 Es ist also nur höchst gerecht, daß er die freilasssen muß, die an den glauben, den er völlig zu Unrecht tötete. Auf diese Weise sollen die Menschen, indem sie in der Zeit sterben, ihre Schuld bezahlen, um in der Ewigkeit in dem zu leben, der für sie das bezahlt hat, was er niemandem schuldete. Die aber, die der Teufel zu hartnäckigem Unglauben verführen konnte, sollte der Teufel zu Recht als Genossen seiner ewigen Verdammung bei sich haben.
112 So ist also der Mensch dem Teufel nicht mit Gewalt entrissen worden. Der hatte ihn ja auch nicht mit Gewalt eingefangen, sondern durch Überredung. Und der Mensch, der gerechterweise so tief gedemütigt worden ist, daß er Sklave dessen wurde, dem er zum Bösen zugestimmt hatte, wurde gerechterweise gerettet von dem, dem er zum Guten zustimmte. Denn die Sünde des Menschen, durch Zustimmung begangen, ist geringer als die, die der auf sich geladen hat, der ihn zum Bösen überredete.
Die Erlösungstheorie Augustins entwickelt sich in der Dreiecksbeziehung: Gott, Teufel, Tötung des Gerechten. Er dachte Erlösung als Befreiung der Menschheit aus Teufelsbesitz, in den sie gerechterweise gekommen ist, indem Eva ihren Mann bewegte, Satan nachzugeben. Indem Satan zur Rebellion anstiftete, lud er schwerere Schuld auf sich, aber Gott nahm ihm die Beute, die ihm rechtens gehörte, nicht mit Gewalt, sondern mit höchster Gerechtigkeit. Satan verlor sie, als er den einzig Gerechten tötete. Satan verwirkte sein Recht auf die ganze Menschheit, das er durch Adams Schuld besaß.
Der Teufel tritt hier als mächtige Größe auf. Fast wie ein Gegengott. Ihm gehörten vor der Erlösung alle Menschen. Er war es, der Adam durch Eva verführt und Jesus getötet hat. Er ist der «Vorsitzende des Todes»; es ist der Teufel, der allen Menschen völlig zu Recht den Tod bringt. Gott behandelt ihn als ein Wesen eigenen Rechts. Die Erlösung ist nicht die freie Selbstübereignung Gottes an die Menschen, sondern die Zerstörung der Satansherrschaft. Gott selbst handelt hier nicht, auch Jesus am Kreuz kommt nicht vor als Erlöser, sondern als Objekt des satanischen Übergriffs, der sein Reich zerstört, das eine Rechtsgrundlage hatte. Gott respektiert seinen wohlerworbenen Besitz. Man sieht, wie wenig die negative Theologie, die er gelegentlich streifte, Augustin gehindert hat, sich im Innenleben Gottes und dessen Zwiespalt zwischen Liebe und
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