Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Gerechtigkeit auszukennen: Die ganze Nachkommenschaft Adams gehört dem Teufel. Sie lebt in Sünde, schon weil sie mit Libido zur Welt kam. Satan hat den einzigen Gerechten getötet, an dem er keine Rechte hat, denn Jesus wurde ohne Schuld getötet und ohne Libido erzeugt.
Der Zusammenhang von Sex und Sünde sowie die Jungfrauengeburt Jesu ist zentral für Augustins Bild von der Erlösung. Der gewöhnlich aussehende Menschenleib hat dem Teufel die Gottheit Christi verhüllt. Er ist, da von der Jungfrau geboren, ohne Adams Sünde; indem er ihn tötet, überschreitet der Teufel die Rechtssphäre und verliert zu Recht sein Recht auf die Menschheit. Das Satansreich bricht in sich zusammen; es wird nicht von Gott handelnd zerstört. Augustin kann es nicht lassen, aus Männerperspektive die Schuld zu verteilen: Das Unglück hat damit begonnen hat, daß Satan die Frau täuschte und die Frau den Mann zu Fall gebracht hat.
Unser Text gewährt Einblick in Bauch und Unterleib der christlichen Erlösungstheorie: Die biblischen Texte sprachen vom Lösegeld, das zur Befreiung der Menschheit von der Teufelsherrschaft zu bezahlen war. Die Menschen, als endliche, konnten es nicht aufbringen. Jesus als Mensch und Gott zahlt es freiwillig für sie, im Gehorsam zum Vater. Gott hat sich nicht in unmittelbarer, direkter Zuwendung den Sündern zugewandt. Er schickte seinen Sohn, der das Lösegeld zahlen sollte. Diese archaische Vorstellung machte Augustin im Jahr 395 philosophisch gebildeten Lesern plausibler, indem er die Gerechtigkeit zur Grundlage des Prozesses machte. Ihr mußte erst genuggetan werden, denn Gott war nicht nur Liebe, sondern auch strenge Gerechtigkeit. Und sie verlangte die Todesstrafe. Nur als der Gottmensch in freiwilliger Stellvertretung sie erlitt, sühnte sie die unendliche Schuld, die auf allen Menschen lag, die mit Libido erzeugt waren. Aus dem Rachebedürfnis des zornigen Gottes machte Augustin, ältere Gedankenmotive aufnehmend, den Eiferer für Gerechtigkeit, der selbst die Teufelsrechte respektierte. Das machte die rohen Verhältnisse zwischen Gott, Satan und Adamskindern fast plausibel. Gottes gerechte Abwägung zugunsten der Satansrechte galt als respektables Motiv, das Gottes würdig schien. Es hat Gott aus seinem Wesen heraus daran gehindert, seiner Liebe zur Menschheit ohne Menschenopfer sofort nach Adams Untat freien Lauf zu lassen.
Augustins relativ früher Text sagt nicht, was Gottvater sich dabei gedacht hat, als sein Sohn hingerichtet wurde. Er verschweigt auch, wem die Menschheit abgekauft werden mußte. Aber das können wir uns denken: Sie gehörte rechtens dem Teufel, also mußte das Opfer ihm dargebracht werden. Das Blut Christi ist der hohe Preis, der für die Erlösung dem Teufel gezahlt werden mußte. Denn es geht bei der Erlösung mit höchster Gerechtigkeit zu, iure aequissimo , III 10, 31, 110. Augustin unterwirft die urtümliche Vorstellung vom Sündenbock durch die Einführung der Gerechtigkeit als Motiv Gottes einer leichten Rationalisierung. Gott darf nicht willkürlich handeln, auch nicht aus Liebe; er muß sich, da er auch die Gerechtigkeit ist, an die Rechtsordnung halten. Das bot Augustin den intellektuellen Vorteil, nicht annehmen zu müssen, es habe im ewigen, also unwandelbaren Gott selbst bei der Versöhnung eine Wandlung stattgefunden.
Augustin stellt die Erlösung durch das Kreuz als sinnvollen Vorgang dar. Er denkt die Menschheit als Einheit, die gemeinsam gezeichnet ist von Adams Schuld und von der Libido, ohne die kein Mensch zur Welt kommt. Selbst der Tod hat wohltätige Folgen: Er erzeugt Angst und Umsicht. Er macht die Gefährlichkeit des Lebens bewußt. Die Sterblichkeit macht wohltätig klar, daß wir die Zukunft nicht kennen, daß wir nicht Herr unserer Zeit sind. Er regt an, das sinnliche Vergnügen zu moderieren. Es war also nicht Grausamkeit, sondern Gerechtigkeit, daß aus Adams Sünde der Tod folgte. So findet Augustin beim Nachdenken über Erlösung selbst die Todesstrafe gut, die Adam der Menschheit eingetragen hat. Das klingt nach Heidegger. Aber natürlich klingt Heidegger nach Augustin.
Kapitel VII
Ethik
1. Neue Regeln
Es falle schwer, sagt man, die christliche Ethik zu leben. Aber es kostet auch schon reichlich Mühe herauszufinden, was die christliche Ethik eigentlich will. Selbst die authentischen christlichen Imperative geben nur ein schematisches Bild, einen abstrakten Grundriß. Er hat sich in der realen Geschichte des Christentums
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