Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Redet so der Logos, der alle Menschen mit seinem Licht erfüllt? Ein partikularistischer Geist hat sich unter Urchristen breitgemacht – vielleicht 50, vielleicht auch 90 Jahre nach dem Tod Jesu. Scharf grenzen sie sich ab von den ‹Juden›: Gott hat deren Herz verstockt, 12,40: Er hat ihre Augen blind gemacht und ihr Herz hart. Damit ist klar, was es bei Johannes heißt, daß Gott die Liebe ist.
Die Erbsünden- und Gnadentheorie Augustins brach noch schärfer mit der Voraussetzung des Paulus, Gott wolle alle Menschen retten. Der späte Augustin stellt dem entgegen: Wenn Gott wollte, würden alle gerettet. Aber er will es seit Adams Sünde nicht; er rettet aus der Sündermasse nur, wen er retten will. Also geht die überwiegende Mehrheit für immer verloren; sie endet in ewigen Höllenqualen. Auch die Neugeborenen, die keine persönliche Schuld haben, gehören in die Hölle; sie werden allerdings nur milde bestraft. Die natürliche Sittlichkeit der Ungetauften hilft niemandem; auch gerechte Heiden kommen in die Hölle, denn in Wirklichkeit sind sie nicht gerecht, weil sie Dämonen als ihre Götter verehren und dem wahren Gott die Verehrung schuldig bleiben.
Das entgegenstehende Pauluswort vom allgemeinen Heilswillen Gottes legte Augustin so lange aus, bis das Gegenteil herauskam. Seine Ansicht von der exklusiven Erlösung hat sich im lateinischen Westen durchgesetzt, zum Schmerz nachdenklicher Christen. Die kirchliche Verurteilung des Origenes verstärkte den Satz, daß es außerhalb der Kirche kein Heil gebe. Dies wurde das einzig erlaubte Kirchenverständnis, auch wenn in älteren Texten hie und da das Gegenteil stand. Papst Bonifaz VIII. verengte die Zugangsbedingungen zum ewigen Heil noch weiter: Er verkündete feierlich und amtlich als unfehlbare Lehre, nur wer sich dem Bischof von Rom unterordne, könne gerettet werden. Dies motivierte jahrhundertelang zur Mission. Im Innern der Kirchen schuf es das Binnenklima der Absonderung und Auserwähltheit.
Viel hing daran, wie die natürliche Ethik beurteilt wurde. Sie war den Christen seit der Antike zugänglich bei Cicero und Seneca, seit dem 13. Jahrhundert auch bei Aristoteles. Thomas von Aquino rezipierte sie, aber band weiterhin die faktische Erlösung an Taufe und Kirchenmitgliedschaft, an Glauben und vorausgehende Erwählung. Ein Heide guten Willens blieb unerlöst; dies fanden nicht erst Aufklärer ungerecht. Auch vor dem 18. Jahrhundert wurde gefragt: Konnte Gott wirklich die Menschheit als ganze dem Satan überlassen und nur wenige Erwählte erlösen? Hatte er nicht die Menschheit als ganze angenommen, nicht nur ein einzelnes Individuum, sondern die Menschheit als reales Universale? Hat Jesus den Vatergott denn nicht mit allen versöhnt? Nach Augustins Erlösungstheorie sind nicht nur alle Menschen nicht erlöst, sondern noch nicht einmal alle Christen. Wer diese Theorie um Gottes willen verwarf, wurde zum Ketzer. Sie wurde abgeschwächt; um 1350 fand ein kundiger Beurteiler, sie sei fast verschwunden. Die Kirchen predigten weiter die alten Formeln; das Bewußtsein, erlöst und in der einzig wahren Kirche zu sein, gab Lebenszuversicht und trieb zugleich giftige Blüten.
4. Augustinus. Erlösung mit Tod und Teufel
Ein Text Augustins führt mitten hinein in die Entstehung seiner Erlösungslehre, die Protestanten und Katholiken über viele Jahrhunderte geprägt hat; er steht in seiner Schrift De libero arbitrio, Der freie Wille von 395. [47] Seine Erbsündentheorie deutet sich an, zeigt aber noch nicht ihre letzte Strenge.
Augustin erklärt die Logik der Erlösung. Er kommt dabei nicht aus ohne Tod und Teufel, ohne Gewalt, Überredung, Sex und Hölle. Sein Weltbild insgesamt ist beteiligt, und viel kommt ihm darauf an, daß es bei der Erlösung der Menschheit mit rechten Dingen zugegangen ist. Ich übersetze den Text und schließe ein paar Bemerkungen an. Augustin hat soeben ausgeführt, es gebe zwei Arten von Sünde: die erste werde spontan aus Eigenem begangen wie die des Teufels, die zweite geschehe aufgrund der Anstiftung durch einen anderen wie die Adams. Er fährt fort:
10, 29, 105 Wenn der Herr bestraft, ist also in beiden Arten der Sünde die Gerechtigkeit gewahrt. Denn in gerechter Abwägung wurde entschieden, der Macht des Teufels die Herrschaft über den Menschen nicht zu verweigern, der sich dessen bösen Eingebungen unterworfen hatte. Es wäre Unrecht gewesen, hätte nicht der Teufel, den, den er gefangengenommen hatte,
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