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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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der die Israeliten aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt hat. Sein Gegenüber ist ganz Israel, nicht primär die Person Moses. Er hat einen Bund mit Israel geschlossen und erklärt, welche Pflichten Israel daraus erwachsen. Er verlangt Gehorsam und zählt die Handlungen, die er erwartet, in zwei Gruppen auf: Da sind zuerst die Gebote und Verbote in Bezug auf Gott ( Deuteronomium  7–15); einige werden durch Zusätze weiter erklärt. Zweitens kommen die Verbote im Verhalten zu anderen Israeliten (Verse 17–21). Sie sind in der berühmten Kürze formuliert und ohne Begründung nebeneinandergestellt: Du sollst nicht! Verboten werden: Mord, Ehebruch, Diebstahl, falsches Zeugnis vor Gericht, auch Übergriffe auf Frau und Eigentum des Nachbarn. Zwischen den beiden Gruppen steht das Gebot, Vater und Mutter zu ehren (Vers 16). Der Text numeriert die Gebote nicht; die Zehnzahl ist nicht streng eingehalten. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften haben die Zehnzahl durch unterschiedliche Einteilungen des letzten Verbotes später hergestellt.
    Ich beginne mit den sozialethischen Verboten (Verse 17–21). Zuerst kommt das Verbot, Stammesgenossen zu töten. Wer übersetzt: Du sollst nicht morden!, hat insofern recht, als das Töten im Krieg erlaubt war. Auch Hinrichtungen galten als rechtlich. Vom Töten der Tiere ist ohnehin nicht die Rede; Schlachtopfer forderten Gott und seine Priester.
    Es folgt das heutige sechste Gebot: Du sollst nicht ehebrechen! (Vers 18). Es führt nicht die Monogamie ein. Es verbietet nicht den sexuellen Verkehr des Sklavenbesitzers mit seinen Sklavinnen. Vom Geschlechtsleben Unverheirateter ist nicht die Rede. Geschützt wird die Ehe als Institution.
    Das Verbot des Diebstahls in Vers 19 wird nicht erläutert. Es verbietet wahrscheinlich das Kidnappen von freien Israeliten, nicht Jungenstreiche wie den Birnendiebstahl, für den Augustin sich in seinen Bekenntnissen schämt.
    Niemand, auch kein Gott, könnte im Orient das Lügen verbieten. Homer hat es bewundert. Daher verbietet Vers 20 nur das falsche Zeugnis vor Gericht. Dies zu untersagen war um so notwendiger, als das altisraelische Gerichtsverfahren den Zeugen große Bedeutung zumaß. Nicht das Gericht hatte die Schuld zu beweisen, sondern der Angeklagte seine Unschuld.
    Vers 21 verbietet das handfeste Verlangen nach der Frau des Nächsten; die zweite Hälfte verbietet Eingriffe in das Hauswesen und das sonstige Eigentum. Dem Wortlaut nach klingt das Gebot, als sei hier erstmals die rechte Gesinnung gefordert. Als verbiete Gott schon das bloße Verlangen, auch wenn es im Inneren verschlossen bleibt. Dann verließe dieses Doppelverbot die äußere Rechtsordnung und verlangte die rechte innere Einstellung gegenüber sexueller Gier und Habsucht. Aber das hebräische Verbum bedeutet sowohl das Begehren wie das Ansichreißen.    [50]   Gemeint ist tätiges ‹Trachten nach›, das aktive ‹Verlangen nach›. Die sozialbezüglichen Gesetze vom Sinai übersteigen nicht die Rechtssphäre; ‹das Ethische› hat ihr gegenüber noch keine Selbständigkeit entwickelt.
    Das erste Gebot der zweiten Steintafel (wenn man so aufteilen darf) regelt das Verhalten zu den Eltern. Das bezieht sich nicht auf das Benehmen heranwachsender Kinder, sondern auf die Versorgung von Vater und Mutter im Alter. Die Familie bedurfte in der Frühzeit, solange übergeordnete Organisationsformen – samt Haus und Feld, Knecht und Magd, Ochs und Esel – noch nicht existierten oder nicht regelmäßig funktionierten, besonderen Schutz. Das Gebot der Fürsorge für die Eltern verbindet Gott mit dem Versprechen langen Lebens und Landbesitzes. Dieser Gott ist ein Gott der Samens- oder Blutkontinuität und ein Gott der Landeroberung. Er stellt künftigen Landbesitz in Aussicht, aber das zehnte Gebot spricht von ‹Haus› und ‹Feld›, von ‹Knecht› und ‹Magd›, als sei die Eroberung Kanaans schon gelungen und als werde das Heilige Land landwirtschaftlich genutzt.
    In den Versen 15 und 16 fällt auf, daß von Gott in der dritten Person Singular die Rede ist, während sonst Gott in der ersten Person zu seinem Volk spricht. Die sprachliche Fassung ist uneinheitlich; wahrscheinlich hat ein später Redaktor Stücke verschiedener zeitlicher und thematischer Herkunft verbunden. Vielleicht bildeten die suggestiv-knappen Verbote des Tötens, des Ehebruchs, des Diebstahls und der Falschaussage den ältesten Kern eines Rechtskanons, der nachträglich in Gottesrede und

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