Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
überholten Werten aus der Vergangenheit verhaftet – sie sind in geradezu mutwilliger Weise ineffizient und blind gegenüber den Grundprinzipien, nach denen die Welt funktioniert. Dem Geld ist es egal, mit welcher Art von Unternehmen es zu tun hat. Es will einfach nur noch mehr Geld verdienen. Die Einzelheiten dieses Vorgangs sind dabei nebensächlich, ein Mittel zum Zweck: Der Ertrag, den das Kapital abwirft, ist das Allerwichtigste, und die menschlichen und kulturellen Details, die dabei eine Rolle spielen, sind eben nichts weiter als Details. Für die Beschäftigten eines herstellenden Betriebs wird die Haltung und Denkweise der Businesswelt oft in einem einzigen Wort zusammengefasst: »Buchhaltung«: Wir hätten ja gern dies und das getan, aber die Buchhaltung lässt uns nicht, oder dies und das hat früher so gut funktioniert, aber jetzt hat die Buchhaltung es abgewürgt. Hollywood zum Beispiel war früher einmal eine Industrie, deren Hauptzweck es war, Filme herzustellen, damals, als es noch sehr viel mehr Filme hervorbrachte als heute. Jetzt aber ist es zu einem Business geworden, mit dem einzigen Ziel, Geld zu verdienen. Die Filme sind größer und dümmer geworden, und es gibt weniger davon, aber wenn sie Erfolg haben, dann bringen sie so unglaublich viel Geld ein, dass es, wie es Julia Phillips, die Produzentin von Unheimliche Begegnung der dritten Art einmal ausgedrückt hat, »auch unterm Strich immer noch weitergeht«.
In der City wird alles als Business gesehen. Das war schon immer so und ist das Kernstück der Dichotomie von Finanzweltund Industrie: Denn obwohl die herstellende Industrie sich damals wie heute durchaus nicht beschwerte, wenn sie auch mal reich wurde, so sah sie doch das Kapital der City immer nur als Mittel zum Zweck und nicht als etwas, von dem sie sich beherrschen ließ. Dieses Thema zieht sich seit zwei Jahrhunderten durch die britische Geschichte. Was sich allerdings durch Mrs Thatcher änderte, war, dass nun der City der unbestrittene Vorrang eingeräumt wurde. Es stand nichts anderes mehr zur Debatte: Was die City wollte, das bekam sie auch. Die herstellende Industrie hat im Lauf der letzten 30 Jahre enorm an Bedeutung verloren. Früher einmal war Großbritannien berühmt für seinen innovativen Ansatz in Industrie und Technik. Das CTecenorm an Bist endgültig vorbei. Eine mehr oder minder ausgeglichene Wirtschaft, in der Herstellungs- und Dienstleistungssektor eine ähnlich große Bedeutung hatten, hat sich inzwischen in ein System verwandelt, das unangefochten vom Finanzsektor beherrscht wird.
Britische Banken waren auch früher schon sehr groß: Aufgrund der imperialistischen und kolonialen Vergangenheit Großbritanniens haben sich unsere Banken in allen möglichen Teilen der Welt etabliert. Ähnlich wie die British Airways als »die beliebteste Fluggesellschaft der Welt« bezeichnet wird, weil sie wegen ebendieser Kolonialgeschichte so unendlich viele Ziele anfliegt, sind auch unsere Banken schon seit Langem sehr international ausgerichtet. Darüber hinaus gab es bei uns auch keine vergleichbare Gesetzesflut zur Zähmung der Banken, wie es sie in den USA in den dreißiger Jahren gab, um einen Zusammenbruch wie den von 1929 mitsamt der darauf folgenden Depression in Zukunft zu verhindern. Das Glass-Steagall-Gesetz war das bekannteste von vielen Gesetzen, die der Größe, dem Einfluss und besonders der staatenübergreifenden Wirkungsmacht der Banken Grenzen setzen sollten. In Großbritannien hat es nie eine vergleichbare Serie von Gesetzen gegeben, die darauf abgezielt hätten, den Umfang und die Aktivitäten unserer Banken einzuschränken. Das liegt daran, dass es in Großbritannien anders als in den USA während dergroßen Depression keinen solchen Moment gab, in dem die Banken von allen Prügel bezogen. Der Status der City in der britischen Gesellschaft war nie durch irgendeine populistische Gegenreaktion gefährdet. In Amerika blieben die entsprechenden Gesetze bis weit in die neunziger Jahre hinein in Kraft. In Großbritannien jedoch sorgte der Big Bang dafür, dass sich zur Mitte des letzten Jahrzehnts ein Prozess vollzog, bei dem der Handlungsspielraum der Banken komplett dereguliert wurde. Unsere Banken konnten in mehr oder minder allen Bereichen tätig werden, in denen sie das wollten: im Investmentbanking (oder auch »merchant banking«, wie es früher genannt wurde), in der Securitization, im Privatkundengeschäft, im Derivatehandel – alles war möglich. Da sie
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