Warum Machst Du Mich Nicht Gluecklich
dass er eigentlich gern häufiger Körperkontakt und Sex hätte. Ich frage nach: »Gibt es denn konkrete Momente, in denen Sie Lust spüren, oder sind das eher theoretische Überlegungen: Eigentlich müssten wir doch mehr Sex haben ...?« »Es gibt tatsächlich Momente, in denen ich merke, jetzt würde ich gern«, antwortet er. »Aber ich bin dann selbst manchmal zu müde oder habe Angst, dass es bei zärtlich-ausgiebigem Sex einfach zu spät wird und ich am nächsten Tag bei der Arbeit nicht fit bin ... Und ich weiß sowieso, dass für Imke ein Q uickie unvorstellbar ist. Genau so wenig, wie sie sich auf Sex einlassen wird, wenn ich den ganzen Tag gearbeitet habe. Sie hat mir schon oft genug erklärt, dass ein solcher >Kaltstart< für sie nicht infrage kommt, weil sie Sex ohne Nähe nicht mag.«
Ein spontaner Wunsch »Sex wäre jetzt auch schön« führt bei Flo rian offensichtlich zu einer hochk omplizierten Berechnung von Per spektiven und Wahrscheinlichkeiten der Umsetzung. Es wird wieder deutlich, wie sehr er es verinnerlicht hat, dass er sich für alles, was er bekommen möchte, anstrengen muss. Und weil er davon überzeugt ist, für den Erfolg allein verantwortlich zu sein, sucht er verzweifelt nach Mitteln und Wegen, seine Chancen zu erhöhen, ohne Imke mit unangemessen erscheinenden »Gelüsten« zu belästigen. Gleichzeitig ist mir klar, dass er sie durch diese vermeintliche Rücksicht eigentlich nicht ernst nimmt. Als ebenbürtige Partnerin wäre es besser, wenn sie einfach erfährt, was er will. Um dann spontan selbst zu entschei den, ob sie darauf auch Lust hat.
Ich mache ihm einen Vorschlag: »W ie wäre es, wenn Sie in den kom menden zwei Wochen ganz konsequent jedes Bedürfnis in diese Richtung aussprechen, sobald Sie es spüren? Dabei ist es völlig egal, ob es erfüllt wird oder nicht. Sondern es geht zunächst nur darum zu trainieren, die eigenen Wünsche wahrzunehmen und zu formulieren.« Ich wende mich an Imke: »Nehmen Sie es einfach als Information. Und machen Sie sich klar: Der ausgesprochene Wunsch verpflichtet Sie beide zu gar nichts! Aktuell äußert Florian in solchen Momenten nichts und es passiert auch nichts. Ab jetzt sagt er was, und wenn dann nichts passiert, haben Sie das gleiche Ergebnis wie vorher. Also überhaupt kein Risiko«, erkläre ich und weiß, dass es natürlich ein großes Risiko sein wird. Denn das ungewohnte Formulieren und Hören von Bedürfnissen verlangt den beiden etwas Neues ab. Florian teilt tatsächlich in der darauf folgenden Woche Imke re gelmäßig mit, wenn er Lust auf Körperkontakt oder Sex hat. Sie nimmt es mehr oder weniger entspannt zur Kenntnis. Weiter ergibt sich zunächst nichts aus solchen Bemerkungen wie »Jetzt hätte ich echt Lust auf Sex, aber ich bin viel zu faul.« Oder »Schade, dass du zum Italienischkurs musst, ich würde viel lieber mit dir ins Bett gehen.« Erstaunt stellt Florian fest, wie entlastend es ist, wenn er so etwas sagen kann und keine Handlung daraus folgen muss. Dass er sich etwas wünschen darf, ohne sofort die Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung übernehmen zu müssen.
Imke und Florian hatten sich gesucht und gefunden. Er war aufgrund seiner Geschichte sehr bereit, sich für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse zuständig zu fühlen. Und er war überzeugt davon, dass dies die Voraussetzung dafür ist, um von ihr zu bekommen, wonach er sich sehnte. Solange er das übernahm, musste sich Imke nicht mit ihren Ängsten auseinandersetzen. Es bestand keine Notwendigkeit, dass sie aktiv und möglicherweise wieder beschämt wurde. Doch der Preis, den beide dafür bezahlten, war hoch: Die eigenen Wünsche waren nur diffus als Unzufriedenheit spürbar, und es gab keine Möglichkeit, sich selbstbewusst und offen für ihre Erfüllung einzusetzen. Deshalb war es wichtig, dass F lorian übte, seine Wünsche wahr zunehmen und zu äußern. Er fühlte sich dabei klarer, und irgendwie männlicher. Ich baute darauf, dass diese Veränderung dazu führen würde, dass auch Imke sich irgendwann entscheiden musste, aus ihrer »Deckung« zu kommen.
Die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen
Wenn es schon nicht einfach ist herauszufinden, was man will, und dieses zu formulieren, so ist es noch schwerer, sich dabei nicht läh men zu lassen von der möglichen oder tatsächlichen Ablehnung des Wunsches. Doch wenn Ihr Wunsch nicht erfüllt wird, gibt es keinen Grund, sich zurückzuziehen und die Wunden zu lecken! Damit nehmen Sie sich und
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