Warum manche Menschen nie krank werden
durchzusetzen.
Dummerweise konnte kein Schüler von Mrs. Goddell darauf hoffen, jemals in den Genuss eines Vertretungslehrers zu kommen. Unsere strenge Klassenlehrerin der alten Schule tat uns nie den Gefallen, einmal nicht zum Unterricht zu erscheinen. Soweit ich weiß, hat Mrs. Goddell in ihrem ganzen Arbeitsleben keinen einzigen Tag gefehlt, und wie sie uns einmal erzählte, hatte sie auch als Schülerin keinen einzigen Schultag versäumt. Das heißt, sie war 60 Jahre lang keinen Tag krank, obwohl sie permanent von hustenden und niesenden Kindern umgeben war. Von Medizinern und Pflegekräften einmal abgesehen, gibt es nur wenige Menschen, die beruflich so viel mit Kranken zu tun haben wie Lehrer.
In der sechsten Klasse war ich einmal so erkältet, dass ich einen Tag zu Hause blieb, aber schon am nächsten saß ich schniefend und hustend wieder in Mrs. Goddells Unterricht. Ich solle Hühnersuppe essen, empfahl sie mir. Einige Teller Hühnersuppe pro Woche seien ein bewährtes Mittel gegen Erkältungen, erklärte sie. Das habe sie von ihrer Mutter gelernt, die es wiederum von ihrer Mutter gelernt hatte, und ich wette, dass es sich bei der Hühnersuppe meiner Lehrerin über ein seit Generationen überliefertes Familienrezept handelt.
Einmal sah ich sie in der Mittagspause am Lehrerpult sitzen und heiß dampfende Hühnersuppe löffeln, die sie sich offensichtlich von zu Hause mitgebracht hatte. Noch den ganzen Nachmittag über roch es im Klassenzimmer nach Hühnchen, Gemüse und frischen Kräutern, und wir wagten schon zu hoffen, dass die Hühnersuppe bedeuten könnte, unsere Lehrerin brüte vielleicht doch einmal eine Erkältung aus. Wenn sie unsere Gedanken hätte lesen können, hätte sie uns gesagt: Träumt weiter!
Das sind die Fakten
Seit es Hühner gibt, essen die Menschen Hühnersuppe. Schon im alten Ägypten wurde bei Erkältungen Hühnersuppe verabreicht, von deren heilsamen Kräften man von der Antike bis ins Mittelalter überzeugt war. Im 10. Jahrhundert schwärmte der persische Arzt Avicenna ebenso von ihren medizinischen Wirkungen wie im 12. Jahrhundert der jüdische Arzt Moses Maimonides, der sie auch bei Hämorrhoiden, Verstopfung und Lepra empfahl. Hühnersuppe wurde später auch als »jüdisches Penicillin« bezeichnet.
IST ES DAS HUHN ODER DIE SUPPE?
Wissenschaftlich analysiert wird Hühnersuppe auch unter dem Aspekt, ob sich ihre heilsame Wirkung nun auf das Huhn oder auf die anderen Zutaten zurückführen lässt. So verschaffen zum Beispiel Curry, Pfeffer und Knoblauch Linderung bei Erkältung, weil sie schleimverdünnend wirken und das Abhusten unterstützen. Dank ihrer antibiotischen, antiviralen und antifungalen Eigenschaften kommen diese heilkräftigen Gewürze seit Jahrhunderten bei Erkrankungen der Atemwege zum Einsatz.
Mit Zwiebeln, Karotten, Rüben, Sellerie und Petersilie wird Hühnersuppe zu einem wahren Wundermittel. Zwiebeln enthalten Protein, Calcium, Schwefel (der aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung per se entzündungshemmend wirkt und zudem das keimabtötende Öl Allicin enthält), Vitamin C und E und den Vitamin B-Komplex sowie Vitamin A, das die weißen Blutkörperchen stimuliert, die Krankheitserreger bekämpfen. Karotten – wie auch Rüben – enthalten Betakarotin, das der Körper in Vitamin A umwandelt. Rüben kräftigen außerdem die Schleimhäute (vor allem in den Lungen und dem Darm) und helfen bei der Bekämpfung von Krebszellen und freien Radikalen. Von Sellerie weiß man schon lange, dass er beruhigend wirkt und somit den bei einer Erkältung so wichtigen Schlaf fördert. Sein hoher Eisen- und Magnesiumgehalt ist gut für die Blutzellen, seine krampflösenden Eigenschaften wirken sich wohltuend bei Lungenerkrankungen wie Asthma und Bronchitis aus. Auch Petersilie kommt der Gesundheit zugute: sie enthält ätherische Öle und Flavonoide, die zu den Polyphenolen gehören.
Ärzte wie Mütter flößen Kranken seit je Hühnersuppe ein, obwohl der wissenschaftliche Nachweis ihrer medizinischen Wirksamkeit erst in der jüngeren Vergangenheit erbracht wurde. Wie die medizinische Fachzeitschrift Chest im Jahr 2000 berichtete, fand man an der medizinischen Fakultät der Universität Nebraska heraus, dass die in Hühnersuppe enthaltene Kombination aus Vitaminen und Nährstoffen entzündungshemmend wirkt und das Wachstum der zu den weißen Blutkörperchen zählenden Neutrophile hemmt, die die Schleimabsonderung stimulieren. Weniger Neutrophile bedeuten weniger
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