Warum manche Menschen nie krank werden
Kunststoff Erregern bessere Überlebensbedingungen zu bieten als weiche Gewebe und Stoffe.
Wie nicht anders zu erwarten, ist sich die Fachwelt wieder einmal uneins, wie lange Erreger »draußen« überleben können. Laut Dr. Kent Sepkowitz, der für die Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle am Memorial Sloan-Kettering Krebszentrum verantwortlich ist und als Professor für Medizin an dem Weill Medical College der Cornell-Universität unterrichtet, beträgt die Überlebensspanne höchstwahrscheinlich »einige Stunden – nicht nur wenige Minuten, aber auch nicht mehrere Tage oder gar Wochen«.
Viel verwirrender ist seiner Ansicht nach, »dass die Überlebensdauer eines Erregertyps auf einem Objekt wie einer Türklinke nichts darüber aussagt, wie lange Ansteckungsgefahr von ihm ausgeht. Anders ausgedrückt: Bestreicht man eine Türklinke mit einem Erkältungsvirus, lässt sich durch stündliche Abstriche quantitativ bestimmen, wie lange man es in einem Kulturmedium vermehren kann. Ob aber ein Virus, das unter Laborbedingungen in einem Kulturmedium gedeiht, auch unter natürlichen Umgebungsbedingungen noch infektiös ist, kann niemand mit Sicherheit sagen.« Einig sind sich die meisten Experten nur in einem: Es ist in jedem Fall sinnvoll, sich die Hände zu waschen, wenn man weiß, dass man ein mit Erregern kontaminiertes Objekt berührt hat.
Weltweit sind Infektionskrankheiten Todesursache Nummer eins. Fakt ist, dass rund 80 Prozent aller Infektionen durch Körperkontakt übertragen werden, was nicht weiter überrascht, wenn man sich vor Augen hält, dass sich schon allein von den Fingerspitzen bis zum Ellenbogen eines Menschen zwei bis zehn Millionen putzmuntere Mikroorganismen
tummeln. Jedes Mal, wenn man sich die Hand beim Niesen oder Husten vor das Gesicht hält, die Toilette benutzt oder irgendwelche Dinge berührt, werden es mehr.
Schätzungen der US-amerikanische Zentren für Infektionskontrolle und Prävention (Centers for Disease Control, CDC) zufolge beläuft sich die Zahl der wegen Krankheit versäumten Schultage in Summe auf etwa 164 Millionen pro Jahr. Auch wenn es nicht nur Krankheitserreger sind, die Kinder von der Schule fernhalten, zeigte sich in einer Studie mit 305 Schulkindern in Detroit, dass sich die Schüler häufig gegenseitig
mit Krankheitserregern ansteckten. Kinder, die sich viermal am Tag die Hände wuschen, steckten sich deutlich seltener an: bei Atemwegserkrankungen lag die Zahl ihrer Fehltage 24 Prozent, bei Magen-Darm-Erkrankungen sogar 51 Prozent unter den Vergleichswerten.
Erreger sind reiselustige Gesellen: Sie machen es sich auf Fingern und Händen gemütlich, lassen sich zu Tischen, Türklinken und Tastaturen mitnehmen, springen ab und warten darauf, dass die nächste Hand sie mitnimmt. Ihre Reiseziele sind der Mund und die Augen, denn hier gelangen sie in das System ihres Wirts und können ihn infizieren. Nach Angaben der CDC können einige Viren und Bakterien zwei Stunden und länger auf Tischoberflächen, an Türklinken und Schreibtischen überleben und ahnungslose Opfer befallen.
Leider erweisen sie uns auch nicht den Gefallen, nur dort zu lauern, wo wir mit ihnen rechnen. Die meisten Bakterien, Keime, Pilze und Parasiten rotten sich nämlich nicht im Badezimmer zusammen, wie viele Menschen glauben, sondern in der Küche, und hier mit Vorliebe überall dort, wo es schön feucht ist: im Waschbecken, Kühlschrank oder Abfalleimer. Auch am Arbeitsplatz ist kaum eine Toilette oder andere Oberfläche so stark mit Keimen verseucht wie Telefonhörer und Sprechmuscheln. Den zweiten Platz der Bakterienschleudern am Arbeitsplatz teilen sich die Etagenwahlknöpfe in Fahrstühlen mit den Computertastaturen.
Obwohl die Erregertheorie nun schon seit über 150 Jahren bekannt ist, sind noch immer nicht alle Fragen restlos geklärt. So kann beispielsweise bis heute niemand genau sagen, woran es liegt, dass manche Menschen wesentlich empfindlicher auf Krankheitserreger reagieren als andere. Rätselhaft ist auch, weshalb manche Erreger pathogener,
aggressiver und zählebiger sind als andere. Hinzu kommt, dass so manche Vorsichtsmaßnahme, die man intuitiv für sinnvoll hält, in Wahrheit eher kontraproduktiv ist. Zum Beispiel gilt häufiges Händewaschen gemeinhin als probates Mittel, um die kleinen Biester loszuwerden, bevor sie sich Zutritt verschaffen und Unheil anrichten können. Wenn man es nun aber mit der Reinlichkeit übertreibt, dringen Erreger viel leichter in das
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