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Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Titel: Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Hesse
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Eckermann. Dies ist eine nicht gerade von Mangel an Selbstbewusstsein zeugende Selbsteinschätzung Goethes, der meinte, seine Persönlichkeit auch auf dem Gebiet der Naturwissenschaft auswerten zu müssen.
    Goethe arbeitete rund vier Jahrzehnte an seiner Farbenlehre und geriet mit seinen Ansichten auf die Gegenfahrbahn zu Isaak Newton. Ausgehend von einem Modell, welches Licht als kleine Teilchen beschreibt, hatte Newton bereits 1676 sowohl experimentell als auch mathematisch die Zerlegbarkeit weißen Lichts in unterschiedliche Farben des Spektrums bewiesen. Goethe dagegen erklärt beweislos in seinem Werk Zur Farbenlehre: «Das Licht ist das einfache, unzerlegteste, homogenste Wesen, das wir kennen. Es ist nicht zusammengesetzt. Am allerwenigsten aus farbigen Lichtern. Jedes Licht, das eine Farbe angenommen hat, ist dunkler als das farblose Licht. Das Helle kann nicht aus Dunkelheit zusammengesetzt sein.»
    Mit dieser Sicht setzt Goethe auch in der Fehlleistung Maßstäbe. Erkenntnistheoretisch ist es ein Rückfall in die Vorstellungswelt der alten Griechen. Im Grunde lehnt Goethe den gesamten mathematisch-naturwissenschaftlichen Ansatz ab und wendet sich gegen die «physikalischen Zergliederer» und die «mathematischen Erbsenzähler». Auch dies sind seine Worte.
Vielfältige Weißheit
1957 entstand Yves Kleins Gemälde «Monochrome, weiß», ein einfarbiges weißes Bild, einen halben Meter mal einen halben Meter groß. Vergleiche mit dem knapp 50 Jahre zuvor entstandenen «Weißes Quadrat auf weißem Grund» von Malewitsch wies Klein weit von sich: «Ich male fast immer nach Modell.»
    Goethe war der Meinung, dass die mathematische Methode für die Naturbeobachtung unerheblich sei und Experimente, die man mathematisch interpretieren müsse, nichts wert seien. Je mehr er mit dieser Ansicht bei den Wissenschaftlern auf Ablehnung stieß, desto rüder wurden mit den Jahren seine Ausfälle gegen diese. Typisch dafür ist dieser Passus aus einem seiner Briefe: «Dass aber ein Mathematiker, aus dem Hexengewirre seiner Formeln heraus, zur Anschauung der Natur käme und Sinn und Verstand unabhängig, wie ein gesunder Mensch bräuchte, werd’ ich wohl nicht erleben.» Eine Haltung des Dichterfürsten kommt hier zum Ausdruck, die einige Bewusstseine nicht nur der damaligen Zeit spürbar erhitzte.
    Die Erklärung, warum er sich so verrennen konnte, ist recht banal. Goethe konnte Newtons mathematische Argumentationen über die Natur des Lichts nicht nachvollziehen. Er beherrschte nach eigenem Eingeständnis kaum Mathematik und konnte sich deshalb nicht auf Newtons Argumentationsniveau heben. Schon die Bruchrechnung und der Umgang mit Zahlenverhältnissen waren wohl schwierig für ihn. Seine Ausbildung bekam er vollständig durch Hauslehrer, und darin fehlte eine Unterweisung in mathematischen Angelegenheiten fast völlig. Insofern war es Goethe nicht gegeben zu erkennen, dass die Welt, in der wir leben, mit Mathematik besser verstanden werden kann als durch bloßes qualitatives Beschreiben. Goethe und Newton behandeln verschiedene Ebenen des Wirklichkeitsspektrums.
    Dieser Erfolg der Mathematik beim Begreifen der Natur ist ein Phänomen, das eine Fülle von fundamentalen Fragen aufwirft. Eine davon ist folgende: Warum ist das überhaupt so? Die Antwort ist unbekannt, aber man kann sagen, dass Mathematik sich in der Welt als Pipeline zur Wahrheit erwiesen hat. In einem berühmten Artikel schrieb 1960 der amerikanische Mathematiker und Physiker Eugene Wigner: «Das Wunder, dass sich die Sprache der Mathematik für die Formulierung der physikalischen Gesetze eignet, ist ein herrliches Geschenk, das wir weder verstehen noch verdienen. Wir sollten daher dankbar dafür sein und hoffen, dass es sich in zukünftiger Forschung so erweist. Und es ist faszinierend, was dabei eigentlich passiert. Ein Problem des Alltags wird in eine andere Welt übersetzt, in die Welt der Zahlen und Strukturen, eben in die Welt der Mathematik. Hier wird es mit Mitteln des logischen Schließens weiterbearbeitet und im Idealfall gelöst. Diese Lösung wird anschließend wieder in die Wirklichkeit zurückübersetzt und in ihr angewendet. Es funktioniert. Es kann nur deshalb funktionieren, weil nach Galilei ‹das Buch der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben ist›. Jedenfalls wird diese Vorgehensweise, sich die mathematische Struktur der Wirklichkeit zunutze zu machen, von der Menschheit mit überragendem Erfolg praktiziert.»
    Von heute aus,

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