Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Wirkungserhaltung, aufgrund dessen Ursache und Wirkung nur wandelbare Verkörperungen ein und derselben Grunderscheinung seien. Wieder andere Philosophen bezweifeln, ob es zwischen Ursache und Wirkung phänomenologisch überhaupt eine quantitative Beziehung gibt. Bisweilen zeitigen große Ursachen nur kleine Wirkungen. Diese Tatsache ist ein Hauptgrund dafür, dass so etwas wie die Stabilität von Systemen überhaupt möglich ist. Technische, biologische und soziale Systeme müssen aus Existenzerhaltungsgründen mit einem erheblichen Grad von Robustheit auch gegenüber großen Belastungen ausgestattet sein, die ihnen erlaubt, Anspannungen mit geringem Aufwand abzufedern.
Andererseits spielen nicht nur in Wissenschaft und Technik, sondern auch in unser aller Alltag die Beziehungen zwischen kleinen Ursachen und großen Wirkungen eine außerordentlich wichtige Rolle. Ein Beispiel ist die Entzündung eines riesigen Pulverfasses durch einen winzigen Funken oder der sprichwörtliche und wissenschaftlich untermauerte Schmetterlingseffekt, gemäß dem der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien in Texas einen Wirbelsturm auslösen kann. Dies legt nahe, dass in manchen Ursache-Wirkungs-Abläufen Katalysatoren beteiligt sind, die einen Übergang von linearen zu nichtlinearen Denkweisen erfordern. Wie unscheinbar peripher eine mathematische Ursache bisweilen sein kann, die eine kolossale physikalische Wirkung zu entfalten in der Lage ist, zeigt das folgende Beispiel:
Der größte mathematische Fehler oder Super-GAU durch Minuszeichen[ 2 ]. Die Mariner-1-Raumsonde startete am 28.7.1962 von Cape Canaveral in Richtung des Planeten Venus. Nach 13 Minuten Flugzeit sollte eine Schubrakete sie bis auf 41.544 km/h beschleunigen, nach 44 Minuten sollten sich 9800 Solarzellen öffnen, nach 80 Tagen sollte ein Computer die endgültige Kurskorrektur Richtung Venus errechnen und nach 100 Tagen sollte die Sonde den Planeten Venus umrunden. Ihr Endziel war es, die mysteriösen Wolken zu scannen, in die dieser Planet eingetaucht ist.
Doch nur 293 Sekunden nach dem Start stürzte Mariner 1 ganz zielstrebig in den Atlantik. Spätere Untersuchungen ergaben, dass ein einziges winziges Minuszeichen in den viele Hundert Meter langen Anweisungen an den Bordcomputer gefehlt und die in Feinbereichen superkritischen Szenarien herbeigeführt hatte, die nach einer Art Schneeballeffekt die Katastrophe schließlich auslösten. Das fehlende Kleinsymbol kostete 8.560.000 Dollar. Eine wichtige Winzigkeit mit formidabler Wirkung. Kein Kleinärgernis, sondern das teuerste Minuszeichen aller Zeiten. In der Raumfahrt ist 99,99 %ige Sicherheit bekanntlich gleichbedeutend mit einer Katastrophe.
Abbildung 66: Cartoon von Sidney Harris: «Hier hast du deinen Fehler gemacht.»
Minimaximalität im Alltag oder Unterlassene Bügelhilfeleistung
«Ich wollte Fenster putzen. Damit ich von außen an das Fenster herankommen konnte, legte ich ein Bügelbrett auf die Fensterbank. Mein Mann, der schwerer als ich ist, setzte sich innen auf das Bügelbrett, und ich putzte auf dem Brett stehend das Fenster von auβen. Plötzlich klingelte es an der Haustür. Als mein Mann unten öffnete, fand er mich vor der Eingangstür liegend. Wir wissen bis heute nicht, wer geklingelt hat.»
Aus einer Schadensmeldung an eine Versicherung, veröffentlicht in einem Schreiben des Hamburgischen Anwaltsvereins
108. Rechtsweg nicht ausgeschlossen: Mathematik in der Kriminalistik
Mit großem Erfolg startete im Jahr 2005 in den USA die Fernsehserie NUMB3RS: Solving Crime with Mathematics. Es ist eine Kriminalserie, deren Superheld ein Mathematiker ist. Sie enthält authentisches Mathematik-Vokabular und demonstriert, wie mathematische Methoden von der Kriminalistik verwendet werden, um Verbrechen aufzuklären und Täter zu überführen. Und die Mathematik darin ist handfest.
Die Verfahren der modernen Verbrechensaufklärung enthalten ein gutes Maß filigraner und subtiler Mathematik: Instrumente wie DNA-Analysen zur Personen-Identifizierung, Massenspektroskopien zur Materialbestimmung, Verfahren, um Gesichter auf Fotografien künstlich altern zu lassen, oder Methoden, um völlig verschwommene Bilder wieder scharf zu bekommen, sind aus Werkzeugen der angewandten Mathematik entstanden und bedürfen in ihrer Bedienung mathematischer Kenntnisse vom Umgang mit Wahrscheinlichkeiten bis hin zur statistischen Datenkompetenz. Eine einzige Episode der NUMB3RS-Serie, Prime Suspect, verarbeitet
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