Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
von der magischen Formel erhält, kann Kain mit Abel die folgende Vorgehensweise ausmachen. Während Abel bei 1 wartet, begibt sich Kain zur verschlossenen Tür bei 3. Er wählt dazu, ohne dass Abel dies beobachten könnte, zufällig den rechten oder linken Zugangsweg. Dann geht Abel nach 2 und ruft in die Höhle hinein, auf welchem der beiden Wege Kain zurückkehren soll, etwa: «Komm links heraus!»
Kehrt Kain tatsächlich auf dem vorgegebenen Weg zurück, so ist Abel natürlich nicht von dessen magischen Fähigkeiten überzeugt, denn er hätte ja auf diesem Weg auch bis zur Tür gelangt sein können. Gelingt es Kain aber in 30 unabhängigen Wiederholungen dieses Schemas, immer auf dem von Abel zufällig (etwa durch Münzwurf) ausgewählten Weg zurückzukehren, dann zeigt sich Abel überzeugt, dass Kain tatsächlich die zur Öffnung der Tür benötigte Formel kennt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Kain es ohne Kenntnis der Formel allein durch ständige glückliche Wahl des Zugangsweges schafft, ist 2 -30 10 -9 , eine Wahrscheinlichkeit noch um den Faktor 1/100 kleiner als die Wahrscheinlichkeit eines 6ers im Lotto 6 aus 49 für eine Tippreihe. Prinzipiell kann Abel natürlich so viele Wiederholungen verlangen, bis er sich überzeugt hat, bis hin zu beliebiger Vergewisserung. Und Kain würde bereits durch einen einzigen Fehler auffliegen.
111. Experimentalmathematik (II): Too old to die young versus Too young to be old
Mathematik macht manchmal das Unmögliche möglich, wie in der vorhergehenden Miniatur gesehen. Zero-Knowledge-Verfahren transportieren inhaltsloses Wissen. Hier nun zeigen wir als weiteres Beispiel ein einfaches Zero-Knowledge-Verfahren für die folgende Fragestellung: Können zwei Personen ohne Hilfe eines Dritten ermitteln, wer von beiden der Ältere ist, ohne sich aber dabei gegenseitig ihr Alter zu offenbaren? Auch das scheint eine unmöglich realisierbare Herausforderung zu sein. Doch es geht.
Es sei angenommen, dass die beiden Personen, Tom und Jerry, unterschiedlich alt sind. Hier ist eine mögliche Vorgehensweise: Tom verlässt den Raum und Jerry legt 100 fortlaufend von 1 bis 100 durchnummerierte kleine Zettel auf den Tisch, die verdeckt mit einem Kreuz auf der Unterseite markiert sind, wenn die Zahl auf der Oberseite geringer als Jerrys Alter ist.
«My first 100 years»
Titel des Buches, das der US-amerikanische Komiker George Burns (20.1.1896–9.3.1996) wenige Tage vor seinem Tod veröffentlichte
Dann kommt Tom wieder herein und dreht, während Jerry sich abwendet, nur den Zettel mit seinem Lebensalter kurz um und kann aus der entweder vorhandenen oder nicht vorhandenen Markierung schließen, ob er älter oder jünger ist als Jerry. Tom teilt Jerry dies mit. Damit wissen beide, wer älter und wer jünger ist, und keiner weiß, wie alt oder wie jung der andere ist. Eine veritable Zero-Knowledge-Prozedur, zwar nicht unumständlich, aber wirksam.
112. Nummerologie fürs Klingling-Ding
Mathematisch gesprochen sind Telefonnummern Zeichenketten bestimmter Länge, deren Zeichen aus einer bestimmten Menge kommen, nämlich aus der Menge der Ziffern {0, 1, …, 9}. In Deutschland, sieht man von der Vorwahl ab, sind Telefonnummern 4- bis 8-stellig. Telefonnummern kann man auch als Codes auffassen, also als eindeutige Zuordnungen von Objekten einer bestimmten Art zu Objekten einer anderen Art: Dem Telefonanschluss eines Fernsprechteilnehmers wird eine Ziffernkombination zugeordnet, die den Anschluss eindeutig identifiziert.
Das Telefonnummernsystem in der Bundesrepublik ist ein Beispiel für einen Präfixcode. Damit wird ausgedrückt, dass keine Zahlenkombination Anfangsteil (Präfix) einer anderen Zahlenkombination ist. Wird in einer Stadt der Anschluss mit der Nummer 8.765.432 verwendet, so gibt es in dieser Stadt keinen Menschen, der die Telefonnummer 87.654.321 besitzt. Denn beim Wählen der längeren Nummer würde nie die gewünschte Verbindung zustande kommen, weil es immer bei der kürzeren Nummer klingeln würde.
Präfixcodes sind anschaulich durch Baumdiagramme darstellbar. Dabei ist jeder Telefonanschluss durch ein Blatt im Baum repräsentiert, und dessen Telefonnummer ist durch den Weg von der Wurzel bis zu diesem Blatt codiert.
Mit jeder Ziffer, die man wählt, wird man im Telefonnetz um einen Ast weitergeleitet. Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal passiert, dass das «Falsche-Nummer»-Signal ertönte, noch bevor Sie Ihre Nummer zu Ende gewählt hatten. Dass dies passieren
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