Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Flächeninhalt πd/2. Da die Sinusfunktion im Bereich von 0 bis π einen Mittelwert von 2/π besitzt, hat die Fläche S also genau den Inhalt l. Daraus ergibt sich
Die Wahrscheinlichkeit p ist – wenn die Nadellänge als l = d/2 gewählt wird – gerade 1/π, der Kehrwert der Kreiszahl. Diese Beziehung kann man auch als π = 1/p; lesen. Da p unbekannt ist, kann man es durch p(π) annähern, den Anteil der Würfe mit Überschneidungen bei einer großen Zahl π von willkürlichen Nadelwürfen. Dann ergibt sich entsprechend π (n) = l/p(n) als Approximation für π. Da aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen die Approximation von p durch p(n) mit größer werdender Wurfzahl immer genauer wird, gilt dies auch für die Approximation von π durch π (n). Der Schweizer Astronom Johann Rudolf Wolf warf in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Nadel 5000-mal und erzielte so die Näherung π3,159.
Unser einfaches Stangenbrot-Piezometer aus dem Kambrium der Künstlichen Intelligenz ist sogar multifunktional und kann noch für ganz andere Zwecke eingesetzt werden. Da π ja bekannt ist, kann man aus der Beziehung für p auch schließen, dass bei unbekannter Länge l der Nadel diese Länge approximiert werden kann durch den Ausdruck
Hier angekommen, können wir noch einen Schritt weitergehen. Nichts hindert, die Methode vom Stangenbrot (also von Strecken) auf beliebige Kurven c zu erweitern (Brezeln, Bananen, Boomerangs, um im Bild zu bleiben). Dabei wird p nunmehr als die erwartete Anzahl von Überschneidungen zwischen den Gitterlinien und der Kurve c bei einem willkürlichen Wurf interpretiert. Dies geht, da jede Kurve approximativ als Verknüpfung einer großen Zahl von einzelnen kurzen Strecken (d.h. kleinen Nadeln) betrachtet werden kann. Auch beinhaltet diese neue Sicht den obigen Fall als Spezialfall, bei dem die Nadel bei einem Wurf entweder einmal oder keinmal eine Gitterlinie schneidet. Bei gekrümmten Kurven kann es natürlich mehr als einen Schnitt geben. Der Wert p wird wiederum geschätzt mit
und dann ist
als Schätzung für die unbekannte Länge l c der Kurve geeignet. Beispielhaft demonstrieren wir dies für eine so genannte Lissajou-Figur der exakten Länge 9,38 cm.
Abbildung 65: Zufälliges Werfen einer Lissajou-Figur, 8 Überschneidungen zwischen Figur und Gitter
Der Autor führte eine einfache manuelle Simulation durch, bei der eine transparente Folie mit aufgetragener Lissajou-Figur 10-mal willkürlich auf ein Gitter mit Abstand d = 1 cm zwischen den Linien geworfen wurde. Es ergaben sich insgesamt 62 Überschneidungen. Das entspricht einer Schätzung von 9,74 cm für die Länge der Kurve. Nicht schlecht!
105. Wissenwollen hoch Leidenschaft
Kein Bei-31 km-Marathon-geschafft-Denker. Ludolph van Ceulen, Professor für Arithmetik, Vermessungskunde und Festungsbau an der Universität Leiden, starb 1610 an Erschöpfung, nachdem er mit einem 2 62 -Eck (einem Vieleck mit rund 4 Trillionen Seiten) die Kreiszahl π auf 35 Dezimalstellen genau berechnet hatte. Eine für die damalige Zeit unglaubliche Leistung, die damit gewürdigt wurde, dass man die von ihm ermittelte Ziffernfolge auf seinem Grabstein eingravierte. Angeblich opferte er 30 Jahre seines Lebens für diese 35 Dezimalen. Zu seinen Ehren wurde die Kreiszahl bis ins 19. Jahrhundert als Ludolphsche Zahl bezeichnet. Van Ceulens Schüler Snellius bemerkte später, dass die von seinem Lehrer erzielte Genauigkeit auch mit der Hälfte des Rechenaufwandes hätte erreicht werden können.
Van Ceulens Berechnungen basierten auf der Methode des Archimedes, bei der einem Kreis mit Radius 1 eine Folge von Vielecken ein- und umbeschrieben wird. Je größer die Eckenzahl der Vielecke, desto mehr nähern sie sich dem Kreis an. Archimedes selbst hatte mit dem Sechseck begonnen und das Verfahren bis zum 96-Eck fortgesetzt. Die Seitenlängen s n bzw. S n des ein- bzw. umbeschriebenen n-Ecks können rekursiv berechnet werden mittels
Mit dem 96-Eck hatte Archimedes die Approximation 3 + 1137/8069 < π < 3 + 1335/9347 erhalten, das ist 3,1409 < π < 3,1428. Ludolph van Ceulen erreichte π3, 14159265358979323846264338327950288. Heute (Januar 2010) ist die Kreiszahl auf 2,7 Billionen Dezimalen genau bekannt. Das ist ein gewisser Overkill, wenn man dieser Zahl von Dezimalen die Tatsache gegenüberstellt, dass man nur ein paar Dutzend Stellen von π benötigt, um den größten in unserem Universum vorstellbaren Kreis mit der größten noch sinnvollen
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