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Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Titel: Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Hesse
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im Drehbuch nicht weniger als Primzahlen, deren Faktorisierung, ihren Einsatz in der Kryptologie und die Riemann’sche Hypothese, das alles in einem zeitlichen Rahmen von nur 45 Minuten. Kein schlechter Durchschnitt für eine Serie fürs Massenpublikum.
    Für ein Beispiel zu Einsatz und Nutzen von Mathematik bei der Verbrechensaufklärung begeben wir uns zu einem anderen Helden aus einer anderen Wirklichkeit, zu Sherlock Holmes in Die Abtei-Schule. Der Meisterdetektiv muss das Verschwinden des zehnjährigen Sohnes des Duke of Haldernesse aufklären. Im Verlauf der Untersuchung spielen die Reifenspuren eines Fahrrads im Lehm eine große Rolle. Holmes gelangt in seinen Überlegungen zu dem Punkt, an dem die Ermittlung der Fahrtrichtung des Fahrrades – von links nach rechts oder von rechts nach links – entscheidend für die Aufklärung des Falles wird. In Conan Doyles Verarbeitung ist die Analyse von Sherlock Holmes allerdings unzutreffend. Holmes erschließt die Richtung, die der Fahrradfahrer genommen hat, aus der Tiefe der Fahrradspuren, da nach seiner Ansicht aufgrund des Gewichts des Radfahrers die Spur des Hinterrades tiefer ist. Das stimmt zwar, ist aber unzureichend, um die Fahrtrichtung zu ermitteln.
    Aber wie kann man aus dem Verlauf der Spuren auf die Fahrtrichtung des Fahrrades schließen? Wieder geht das nur mit Mathematik.

    Abbildung 67: Fahrradspuren von Vorderrad und Hinterrad: Welche ist welches? Und in welche Richtung fuhr das Fahrrad?
    Ein paar Dinge weiß man über Fahrradspuren aus Erfahrung. Zunächst, dass die weiter ausschlagende Spur vom Vorderrad hinterlassen wird. Doch dieser Begriff ist mathematisch noch zu unpräzise. Ferner kann man dem Kreuzungspunkt der Spuren ansehen, welche der beiden Spuren als Erste und welche als Zweite entstand. Die Zweite ist die Spur des Hinterrades. Aber man erhält auch daraus keine Erkenntnisse über die gefahrene Richtung.
    Die zur Klärung der Richtungsfrage wichtigen Tatsachen ergeben sich aus der Bewegungsmechanik der beiden Räder relativ zur Lenkung: Der Aufsetzpunkt des Vorderrades ändert sich beim Lenken nicht, nur beim Rollen, und das Hinterrad ist nicht lenkbar. Auch ist offenkundig, dass das Vorderrad die Richtung vorgibt und das Hinterrad immer in Richtung des Fahrradrahmens zeigt und auch rollt. Daraus folgt, dass man zu jedem Punkt der Spur des Hinterrades durch Verlängerung nach vorne in Rahmenrichtung den zugehörigen Punkt des Vorderrades finden kann, und zwar stets im selben Abstand. Die Verlängerung der Richtung des Hinterrades ist eine Tangente an die Bahnkurve des Hinterrades, und zwar in seinem Aufsetzpunkt.
    Nun müssen wir diesen gelungenen Einblick nur noch in denkbare Bahnen lenken und effektiv machen. In der Tat können wir die Tangentenidee ganz wunderbar einsetzen: Wenn die durchgezogene Linie in Abbildung 67 die Spur des Hinterrades wäre, würde eine Tangente an diese Kurve die gepunktete Kurve in einer Richtung immer im gleichen Abstand von etwa einer Rahmenlänge schneiden. Die folgende Abbildung zeigt aber eine Tangente, die belegt, dass es sich bei der durchgezogenen Kurve nicht um die Spur des Hinterrades handeln kann.

    Abbildung 68: Informative Tangente an die durchgezogene Kurve
    Damit wissen wir immerhin schon einmal, dass die gepunktete Linie die Spur des Hinterrades ist. Um auch noch die Fahrtrichtung zu ermitteln, legen wir an die gepunktete Kurve in einigen Punkten Tangenten.

    Abbildung 69: Drei Tangenten an die gepunktete Kurve
    Diese Abbildung lässt sich für unsere Zwecke ausdeuten: Wäre das Fahrrad nach links unterwegs gewesen, dann hätte sich das Vorderrad (die durchgezogene Kurve) links vom Hinterrad (der gepunkteten Kurve) befunden. Wenn wir also einer Tangenten an die gepunktete Kurve nach links folgen, sollten wir nach einer Rahmenlänge auf die durchgezogene Kurve treffen, und zwar ganz egal, in welchem Kurvenpunkt wir dies veranstalten. Dies ist aber leicht erkennbar nicht der Fall. Bei Annahme der umgekehrten Fahrtrichtung verhält es sich hingegen durchaus so, wie das Diagramm 69 demonstriert. Das Fahrrad fuhr demnach von links nach rechts. Daran besteht kein Zweifel mehr.
    Ein hübsches Beispiel für den gezielten und entscheidenden Einsatz von Mathematik bei der Spurenlese. Ich wüsste nicht, wie man die Frage nach der Fahrtrichtung ohne Mathematik beantworten könnte.
    There are five Million bicycles in Beijing. Hunderte von Millionen Menschen fahren täglich Fahrrad. Doch wohl nur ein

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