Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
Versteck oder schon in Griechenland? Und woher weiß der Erpresser, dass die Alte uns 20 000 Mark gezahlt hat?« – »Ich weiß es auch nicht«, sagt Trinkmann. Sie warten an der Telefonzelle vergeblich auf einen Anruf.
Der »Erpresser« wird nicht mehr auftauchen. Er hat uns gute Dienste geleistet. Nun ist endlich die Rollenverteilung klar. Trinkmann und Wohlert haben den Ausbruch organisiert und Ebert zum Versteck gebracht, doch um die weitere Versorgung haben sie sich nicht mehr gekümmert, und ob er sich noch im Versteck aufhält, wissen sie nicht. Das Ziel ist Griechenland, die Heimat von Sophia Papadopoulou. Und Papadopoulou finanziert die Flucht.
Aber woher hat sie das Geld?
Ein Team von uns reist nach Athen. Mit der Unterstützung der dortigen Kollegen finden wir heraus, dass Papadopoulous Tante eine sehr wohlhabende Unternehmerin war und ihrer Nichte mehr als eine Million Mark vererbt hat. Auch bei den Hamburger Banken wird nochmals nachgeforscht. Zu Beginn der Flucht hat Papadopoulou fast all ihr Geld in bar abgehoben und fast alle Konten aufgelöst. Aus diesem Grund fand sich bei den Hamburger Banken nichts mehr.
Als die Kollegen zurückkommen, empfängt das Team der Soko sie begeistert. Wir haben ein Rätsel gelöst. Wir wissen zwar nicht, wo Ebert sich aufhält, aber wir wissen nun ganz sicher, wer es weiß. Wir wissen, wer die Fäden in der Hand hält. Wir wissen, von wem er abhängig ist. Und wir wissen auch: Es ist höchste Zeit. Mittlerweile sind fast drei Monate vergangen. Drei Monate, in denen nicht nur wir unter großem Druck standen, sondern auch Ebert. Wir setzen uns im Präsidium zusammen und beraten, was wir nun tun können, ja, tun müssen.
Sollen wir Papadopoulou weiterhin observieren, bis sie uns doch zum Versteck führt? Ich habe Bedenken. Drei Monate! Wie lange wird Ebert diese Situation noch ertragen? Sein Drang, etwas zu tun, wird mittlerweile sehr groß sein. Die nächste Frauenleiche in einem Wald? Nein. Es könnte auch sein, dass sie unbeobachtet von uns nach Griechenland aufbrechen. Die Kollegen dort sind zwar alarmiert, aber es gibt keine Gewissheit, dass sie ihn fassen. Zudem haben die beiden genügend Geld, um ihren Plan spontan zu ändern.
Nein, wir können nicht mehr warten. Wir müssen handeln.
Sollen wir Papadopoulou mit unseren Ergebnissen konfrontieren? Wird sie unter der Last der Beweise gestehen und uns zu Ebert führen? Eher nicht. Unsere beiden Versuche mit den Opferfotos und dem Blumenstrauß haben bei Papadopoulou nicht gewirkt. Wenn sie direkt unter Druck gesetzt wird, werden wir eher das Gegenteil bewirken. Sie würde sich zumindest anfangs eher »tapfer« in den Kampf gegen das ungerechte System stürzen und schweigen. Sie würde sich dabei womöglich fühlen wie eine Märtyrerin.
Und die beiden Männer? Sie wären wahrscheinlich schneller bereit, Ebert zu verraten, um sich selbst zu retten. Aber hier haben unsere Juristen Einwände. Unsere Situation ist vertrackt – und der Jurist Trinkmann weiß das bestimmt. Wir können Menschen nur festnehmen, weil sie eine Straftat begangen haben. Aber welche Straftat haben die beiden begangen? Die Bedrohung, die sie geschaffen haben, indem sie Ebert halfen, ist zwar immens, Menschenleben sind in Gefahr und das ganze Land ist in Aufregung. Das Vergehen der beiden ist dennoch verhältnismäßig gering. Wir könnten sie lediglich wegen »Gefangenenbefreiung« verhaften, § 120 S tGB , das gibt maximal drei Jahre Freiheitsstrafe.
»Und was haben wir gegen sie in der Hand?«, fragen die Juristen. Sie haben sich im Auto verraten, aber das können wir nur belegen, weil wir sie abgehört haben. Und hier wird es kompliziert. Wir haben die Genehmigung dafür nur bekommen, um die Gefahr abzuwenden, die von Ebert ausgeht. Der Vorwurf der »Gefangenenbefreiung« würde nicht dafür ausreichen, dass wir jemanden abhören dürfen. Und das wirkt sich auch auf die Verwertbarkeit der gewonnenen Beweise aus: Wir dürfen unsere Erkenntnisse zwar benutzen, um Ebert aufzuspüren, aber wenn es darum geht, seine Helfer wegen »Gefangenenbefreiung« festzunehmen, müssen wir so tun, als wüssten wir all das nicht, was wir abgehört haben. Wir wissen alles, und dürfen nichts verwenden.
Was dann?
Was wäre, wenn wir Papadopoulou doch festnehmen? Was würde das womöglich für Ebert bedeuten? Er weiß: Wenn sie ihn nicht mehr unterstützen kann, wird er scheitern. »Aber auch das würde den Druck auf ihn erhöhen«, sagen die Kollegen.
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