Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
Eberts letztes Opfer. Papadopoulou wird nun wortkarg. Sie spricht noch kurz von »multipler Persönlichkeit«, dann muss sie dringend auf die Toilette. Als sie zurückkommt, sagt sie: »Ich muss jetzt leider wieder los.« Und geht. Vielleicht denkt sie über das Gesehene nach und kommt doch noch auf uns zu oder gibt uns wenigstens anonym einen Hinweis auf den Aufenthaltsort? Sie tut es nicht.
Tage vergehen.
Der Druck auf uns ist immens. Wenn Ebert mordet, sind auch wir dafür verantwortlich. Ein Ausbruch aus der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie, eine Suche, die sich über Wochen hinzieht – das ist auch ein Politikum. Das Wort »parlamentarischer Untersuchungsausschuss« schwebt in vergleichbaren Situationen über uns wie ein Damoklesschwert. In Momenten wie diesem ist jede Verzögerung ein Fehler und jeder Fehler ein Skandal. Teile der Presse konzentrieren sich auf eine eigene Hypothese, die publizistisch vielleicht spannend sein mag, für uns aber extrem unwahrscheinlich ist. Ebert hatte in der Klinik Besuch von Scientology. Reporter recherchieren in einem Scientology-Lager in Dänemark und werfen die Frage auf, warum die Polizei nicht intensiver in dieser Richtung ermittelt. Dabei wissen wir: Ein paranoider Mensch würde sein Schicksal nie einer Organisation anvertrauen. Und eine Organisation wie Scientology könnte sich eine solche Unternehmung gar nicht erlauben. Aber der Vorwurf gegen uns bleibt.
Tage vergehen. Warum findet die Polizei den Serienmörder nicht?
Wir überlegen weiter, wo wir noch ansetzen können. Noch mal bei Papadopoulou? Vielleicht. Es gibt zwei Aspekte, die sie aus psychologischer Sicht in ihrer Hingabe für den Mörder weitgehend ausblendet. Der eine: Eberts Aggression und Gefährlichkeit. Der Versuch, ihr das bewusst zu machen, hat nicht gewirkt. Der andere: Ebert manipuliert und benutzt sie. Vielleicht können wir ihr wenigstens hier die Augen öffnen. Wir versuchen es auf einem ungewöhnlichen Weg. Die wachsende Bedrohung, die Ebert darstellt, rechtfertigt ungewöhnliche Wege.
Bald klingelt an der Wohnung von Sophia Papadopoulou ein Bote, der einen Blumenstrauß für sie abliefert. Der Absender ist unbekannt, aber am Strauß hängt eine Karte:
Sie haben Ebert befreit. Ich will, dass er wieder hinter Gitter kommt. Damit keine weiteren Morde passieren. Denn auch mich hat er belogen und ausgenützt.
Das dürfte sie nachdenklich machen.
Ich bin überzeugt, dass es bereits Konflikte gegeben hat; Ebert kann seine Passivität und die Abhängigkeit von seinen Helfern nicht lange aushalten. Die Helfer wiederum stehen unter großem Druck, und er hat ihre Nerven mit seiner narzisstischen Anspruchshaltung bestimmt schon strapaziert. Vielleicht bekommt Papadopoulou langsam Zweifel, ob diese »geistige Liebe«, von der sie am Telefon sprach, gar nicht so tief ist. Vielleicht kommt sie auf uns zu. Oder sie nimmt unter unseren Augen Kontakt zu Ebert auf.
Wir warten. Aber Papadopoulou reagiert nicht.
Ebert ist nun seit rund zwei Monaten verschwunden. Der öffentliche Druck hat nicht nachgelassen.
Tage vergehen. Die Helfer sind am Telefon und in ihrer Wohnung sehr zurückhaltend. Sie führen uns auch nicht zum Versteck. Wir können sie auch nicht dauerhaft über 24 Stunden hinweg lückenlos observieren. Es ist unmöglich, jemanden unerkannt zu verfolgen, der ahnt, dass er überwacht wird, und deshalb nachts in eine leere U-Bahn steigt, ein paar Mal umsteigt und dann vielleicht noch ein Taxi nimmt.
Tage vergehen.
Alarm! Die Techniker hören ein Telefongespräch von Trinkmann ab. Er ruft einen befreundeten Elektriker an. Seine Stehlampe im Wohnzimmer leuchtete nicht mehr. Er hat sie an eine andere Steckdose angeschlossen, da funktionierte sie wieder. Müsse wohl an der Steckdose liegen. Ob der Freund sich das anschauen könne. Klar, in einer Stunde? Okay, Trinkmann gehe nur schnell einkaufen.
Die Beamten sind in Aufregung. Die Steckdose an der Stehlampe! Genau dort haben sie die Abhörtechnik installiert. Wenn der Elektriker die Dose aufschraubt, findet er das Gerät, und wir sind enttarnt. Wir müssen schnell reagieren.
Auf dem Weg zum Supermarkt wird Trinkmann aufgehalten. In der Zwischenzeit öffnet ein Team von uns die Steckdose in seiner Wohnung und entfernt die Technik. Gerade noch rechtzeitig.
Weitere Tage vergehen.
Vielleicht können wir beim anderen Teil des Trios ansetzen? Bei den Männern? Skrupel lassen sich bei den beiden Knastprofis wohl kaum schüren. Aber womöglich
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